Tentakelwacht
offenbar annahm, dass der Mars sich nicht würde erfolgreich verteidigen können. Sie alle hier hatten bezüglich des Ausgangs des großen Kampfes eine sehr fatalistische Haltung eingenommen.
» Wie sieht dann unser Auftrag aus?«
»Wir suchen die Klonfrauen. Wir wollen wissen, ob und wie sie organisiert sind. Wir wollen sie bewaffnen. Sie sollen das tun, was ja auch unsere Klonsoldaten tun. Dafür haben wir unsere gebaut, und ich vermute, dass die Drahtzieher der Kuckucksklone diese nicht erschaffen haben, um einen Putschversuch zu starten.«
»Aber wozu genau dann?«, fragte Navrova.
Irrte Roby sich oder warf ihm der Capitaine einen kurzen Blick zu?
»Wir wissen es noch nicht. Auch das wollen wir herausfinden.«
Navrova zuckte mit den Schultern. »Ob eine Kampfeinheit für so was gut geeignet ist?«
Lefevre sah sie an. »Was wollen Sie tun? Einen Zivilagenten hinschicken?«
Roby war sich sicher, dass es diese gab, und das vor allem mit der Zielrichtung, Bellas seltsame Kirche zu unterwandern, die ganz offensichtlich noch etwas ganz anderes als bloß eine suspekte Sekte war.
»Und warum wir?«
Lefevre lächelte freudlos. »Weil sie alle etwas gemeinsam haben!«
»Wir sehen alle blendend aus?«, meinte einer der Soldaten und alle lachten.
»Das ist hilfreich, aber nicht hinreichend«, erwiderte der Capitaine grinsend. »Sie haben alle erst nachgedacht und dann geschossen, in zum Teil ähnlichen, zum Teil sehr unterschiedlichen Situationen. Das ist eine Fähigkeit, die in unseren Streitkräften nicht gefördert wird. Sie haben sie sich bewahrt. Deswegen sind Sie hier.«
Die Soldaten sahen sich an, schweigend, einige offenbar erfreut über das Lob, die Intelligenteren dabei, sich selbst auszuschimpfen, dass sie den Fehler gemacht hatten, positiv aufzufallen und sich damit für irgendwas freiwillig zu melden, ohne es zu wissen. Roby gehörte zur letzteren Kategorie. Positiv auffallen war etwas, was zu einem vorzeitigen Tod führte. Aber er hatte gar nicht anders handeln können.
»Wohin geht es also?«, fragte er dann.
»Wir sind auf dem Weg nach Nordeuropa, in die Nähe des Oslo-Metroplex. In einer verlassenen Fabrikanlage haben sich gut einhundert geflohene Klonfrauen …«
»Können wir den Zielobjekten bitte einen anderen Namen geben?«, warf Navrova ein.
Lefevre nickte, wirkte gar nicht ungehalten über die Unterbrechung.
»Die Geheimdienstleute nennen sie Rahels. Es sind identische Klone einer terranischen Marinesoldatin namens Rahel Tooma, die sich in der ersten Invasion ausgezeichnet hatte und anschließend bei der Wiederherstellung der staatlichen Ordnung … schwierig wurde.«
»Rahels also«, meinte Navrova. »Und die haben sich in der Fabrikanlage gesammelt?«
»Und werden von den Sicherheitskräften schön in Ruhe gelassen«, ergänzte der Capitaine. »Unser Auftrag lautet, dort hineinzugehen und so etwas wie eine Kommunikationsbasis zu etablieren.«
»Wir reden nur?«
»Das ist unsere Absicht.«
»Unsere Waffen?«
»Wir verteidigen uns auch, wenn nötig.«
»Sind die Rahels bewaffnet?«, wollte Roby wissen. Er hatte das Bild der davonspazierenden nackten Hintern vor Augen, und obgleich auch dies ein durchaus entwaffnender Anblick war, ging er nicht davon aus, dass die Klonsoldatinnen einen permanenten Hang zum Nudismus einprogrammiert bekommen hatten.
»Es gibt offenbar Beutewaffen. Und es gibt Hinweise darauf, dass sie Hilfe bei der Ausrüstung bekommen haben.«
»Von der Kirche der Heiligen Rahel«, entfuhr es Roby.
Alle Augen richteten sich auf ihn. Lefevre grinste. Die anderen hatten offenbar noch nichts von dieser Sekte gehört.
»Von wem?«, hakte Navrova nach.
»Das erklärt er später«, entschied der Capitaine. »Es könnte sein, dass wir dort auch auf Kirchenvertreter treffen. Es gibt eine enge Zusammenarbeit. Und egal, was Sie alle jetzt denken: Trotz der spirituellen Organisationsform gehen wir davon aus, dass es hier nicht um die Erlösung unserer Seelen geht. Wir gehen davon aus, dass die Kirche nur eine Fassade für eine Untergrundorganisation ist, die vor langer Zeit den Grundstein für das gelegt hat, was hier stattfindet.«
Alle schauten sich mit großen Augen an, nur Roby war unbeeindruckt. So etwas hatte er sich schon lange gedacht. Bella war keine fanatische Anhängerin einer obskuren Sekte, sie war eine Agentin einer historisch angelegten Verschwörerorganisation, einer klassischen Geheimgesellschaft. Einer ganz speziellen Gang.
So was verstand er
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