Terakon
Gips
eine Herausforderung war. Die fremde Kleidung warf ich in die Waschmaschine und
da ich seit 24 Stunden nichts gegessen hatte, ging ich zum Kühlschrank und
wärmte mir die restlichen Nudeln vom Vortag auf. Am Sonntag erledigte ich meine
verbliebenen Aufgaben und ruhte mich aus. Gegen Abend versuchte ich Sarah
anzurufen, aber sie ging nicht ans Telefon, was für sie nichts
Außergewöhnliches war.
Am nächsten Morgen stand ich um sieben Uhr auf. Nach einem missglückten Versuch
meine blauen Flecken zu überschminken, machte ich mich auf den Weg zur Uni.
Andreas wartete bereits in unserer Lernecke auf mich. Er starrte mich
schockiert, mit halbgeöffneten Mund an. Ich hatte unterwegs meine blauen
Flecken komplett vergessen. Sein Gesichtsausdruck wechselte von schockiert zu
wütend. Seine Hände zu Fäusten geballt, sein Gesicht rot vor Wut eilte er zu
mir. "Wer war das? Den bringe ich um!"
Ich hatte vergessen, mir eine Ausrede für meine Verletzungen zurechtzulegen.
"Reg dich nicht auf. Ich bin in einen Türstock gelaufen."
"Und wie heißt der Türstock? Der blaue Fleck in deinem Gesicht sieht
sicher nicht zufällig wie der Abdruck eines Handrückens aus. - Oh Scheiße, er
hat dir ja auch noch den Arm gebrochen."
Leugnen schien zwecklos. "Bitte, frag nicht weiter, ich will nicht darüber
sprechen!"
Unbeirrt sagte er energisch: "Ich wusste nicht, dass du einen Freund hast.
Aber wenn er dir so etwas antut, dann musst du ihn anzeigen und um Himmels
willen, beende die Beziehung."
"Es war nicht mein Freund, ich habe keinen. Ich habe dir sicher schon von
Sarah erzählt. Als wir am Freitag aus waren, verletzte sie jemand am Hals und
ich ging von hinten auf ihn los, um ihr zu helfen, daraufhin schlug er mir mit
dem Handrücken ins Gesicht. Ich fiel zu Boden und sein Kumpel brach mir den
Arm."
Was nicht wirklich gelogen war. Er wartete, also fuhr ich fort: "Aber ein
paar wirklich nette Jungs haben uns geholfen. Wie war dein Freitag?"
Vielleicht erlaubte er mir ja das Thema zu wechseln.
"Ehrlich gesagt habe ich mir von dir einen kreativeren Themenwechsel
erwartet. Eigentlich sollte ich darauf nicht eingehen, aber nun gut wie du
willst. Wir hatten am Freitag zwischen drei und vier Uhr morgens einen Notfall
in der Firma meines Vaters und deshalb war ich am Samstag und am Sonntag völlig
erledigt."
Mir war klar auf was er hinaus wollte, daher griff ich ihm unter die Arme.
"Also hast du die Übungen nicht gemacht? Wenn wir nicht länger über meine
Verletzungen reden, bekommen wir das sicher noch hin."
Da die Zeit knapp war, änderten wir einfach meine Lösungen derart ab, dass es
keiner merken würde.
Auf dem Nachhauseweg machte ich noch einen Umweg, um einzukaufen, dabei fiel
mir gegenüber dem Supermarkt plötzlich ein prächtiges Gebäude auf. Ich konnte
gar nicht verstehen, warum ich dieses Bauwerk noch nie bemerkt hatte. Es war
eine wunderschöne Villa mit einem gepflegten Garten. Das letzte Mal, als ich
mir die Gegend bewusst angesehen hatte, stand auf diesem Grundstück doch noch
ein unbewohntes, verfallenes Haus. Es ist einem gar nicht bewusst, wie blind
man durchs Leben geht.
Zu Hause angekommen wartete ich auf Sarahs Anruf, aber er kam nicht. Am späten
Abend nahm ich das Telefon zur Hand und wählte ihre Nummer. Sie antwortete beim
ersten Läuten. Angeblich wollte sie mich soeben anrufen. Sie schwärmte
unentwegt, wie toll der Abend gewesen sei. Während des Telefonats fiel mir auf,
dass ich vergessen hatte Michael zu fragen, welche Erinnerungen sie Sarah
gegeben hatten. Also sagte ich ständig und auf viele verschiedene Arten, dass
ich schon sehr betrunken gewesen war und mich an nichts mehr erinnern könnte.
Sie beteuerte wie leid es ihr tat, dass ich am Ende der Nacht die Treppe
hinunter gefallen war und verfluchte das Frettchen, das sie am Hals gebissen
hatte. Mit einem, "das müssen wir wiederholen", verabschiedete sie
sich und das Gespräch war zum Glück beendet.
Zwei Tage später waren meine Gesichtsverletzungen verheilt. Ich hatte schon
immer eine überdurchschnittlich gute Wundheilung, doch eine derart rasante
Genesung war unheimlich. Mein Arm fühlte sich gesund an und ich war mir sicher,
dass der Gips, ein ständiges Hindernis, mittlerweile unnötig war. Vermutlich
hatten Michael und die anderen die Heilung meiner Wunden irgendwie magisch
beschleunigt.
Ich machte mich also am nächsten Morgen auf den Weg ins Krankenhaus, um meinen
Arm röntgen zu lassen. Meine Lüge, mein Arm fühle sich
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