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Teranesia

Titel: Teranesia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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fühlen.
    Aber jetzt war er zu alt, um nach Baba zu schreien. Er musste eine andere Möglichkeit finden, sich zu beruhigen.
    Prabir ließ sich aus der Hängematte gleiten und ging zur Tür hinüber. Die Schmetterlingshütte stand genau gegenüber, ein grauer und verschwommener Schatten im Schatten. Er wusste, dass die Tür der Hütte verriegelt war, damit keine Tiere hineingelangten, aber sie war nicht abgeschlossen. Im Kampung war keine Tür verschlossen.
    Kalter Schweiß sammelte sich in seinen Kniekehlen. Er nahm mit den Fingern eine Probe und schnupperte daran. Inzwischen war er den Geruch des Moskitomittels so sehr gewöhnt, dass er ihn kaum noch wahrnehmen konnte. Aber er bezweifelte, dass irgendwer in der Familie ihn als so stechend empfand, dass ein paar Tropfen davon ihn verraten würden.
    Er öffnete die Tür nur weit genug, um hindurchschlüpfen zu können, dann durchquerte er den Kampung. Seine bloßen Füßen verursachten kein Geräusch auf dem festgetretenen Boden. Er war entschlossen zu handeln, bevor er es sich anders überlegen konnte. Als er die Schmetterlingshütte erreichte, zögerte er nicht: Lautlos zog er den Riegel zur Seite. Doch als er vorsichtig gegen die Tür drückte, quietschte es erschreckend, weil die gesamte Fiberglasplatte vibrierte, als die Unterkante über den Boden schrammte. Er wusste sofort, was er dagegen tun konnte – denn die Tür zur Küche gab genau die gleichen Geräusche von sich –, aber er blieb mehrere Herzschläge lang wie erstarrt stehen, um zu horchen, ob sich in der Hütte seiner Eltern etwas tat. Dann wappnete er sich und stieß die Tür ganz auf. Dabei wölbte sich die Tür ein wenig, sodass sie nun den Bodenkontakt verlor und nur noch das Seufzen verdrängter Luft zu hören war.
    Prabir kannte das Innere der Hütte, weil er oft genug durch die Fenster hineingeschaut hatte – allerdings nur bei Tageslicht. Außerdem hatte für ihn niemals ein Grund bestanden, sich die genaue Anordnung einzuprägen. Er stand im Türrahmen und wartete ab, wie gut sich seine Augen an die Dunkelheit anpassten. Das wäre anderswo kein Problem gewesen; er hätte sich überall mit verbundenen Augen zurechtgefunden. »Das ist meine Insel«, flüsterte er. »Ihr hattet kein Recht, mich hier auszusperren.« Gleichzeitig wusste er, dass seine Worte unehrlich waren – es hatte ihn niemals gestört, dass die Schmetterlingshütte für ihn tabu war –, aber nachdem ihm dieser fadenscheinige Vorwand eingefallen war, hielt er daran fest.
    Auf einer Länge von etwa einem Meter konnte er im grauen Sternenlicht den Boden erkennen, getrübt von seinem diffusen und nahezu formlosen Schatten, wie er vermutete. Die Finsternis dahinter blieb undurchdringlich. Das Licht einzuschalten wäre Wahnsinn, denn es gab keine Vorhänge oder Jalousien vor den Fenstern, sodass der ganze Kampung hell erleuchtet wäre. Er hätte genauso seinem Vater mit einer Taschenlampe ins Gesicht strahlen können.
    Er trat in die Hütte. Sich mit ausgestreckten Armen vorzutasten hätte jede Menge Glasbruch zur Folge gehabt, also bewegte er sich langsam vorwärts und hatte nur eine Hand auf Hüfthöhe und in Körpernähe erhoben. Er schob sich mehrere Minuten lang vor, wie es schien, ohne etwas zu berühren, dann stießen seine Finger gegen eine kunststoffbeschichtete Spanplatte. All ihre Möbel bestanden aus diesem Material: sein eigener Schreibtisch, der Tisch, an dem sie aßen. Sofern er nicht völlig vom Kurs abgekommen war, musste dies die große Arbeitsfläche sein, die sich durch die gesamte Hütte zog und sie fast in zwei Hälften teilte. Er blickte sich um. Anscheinend war er geradeaus in die Hütte marschiert. Es dauerte ewig, bis das graue Nachbild der offenen Tür verblasst war, und selbst dann konnte er vor sich immer noch nichts erkennen. Er wandte sich nach links und lief an der Werkbank entlang, während er mit der rechten Hand die Kante verfolgte und sich mit der linken vor Hindernissen schützte.
    Nachdem er einem Hocker und einem Stuhl auf Rollen ausgewichen war, erreichte Prabir einen Teil der Arbeitsfläche, die im schwachen Sternenlicht lag, das durch ein Fenster hereindrang. Vorsichtig schob er die rechte Hand in die dürftige Helligkeit, worauf die ohnehin verwirrenden Schatten und Andeutungen von Oberflächen noch komplizierter wurden. Er berührte kühles Metall, leicht aufgeraut und gewölbt. Ein Mikroskop. Er konnte das Schmierfett der Zahnstangen für die Fokussierung riechen; es war ein

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