Teranesia
Anwesenheit überhaupt nicht bemerkt hatte, war möglicherweise längst bekannt, aus welchem Grund sie hier waren. Mehrere Male hatten Jets die Insel überflogen – winzige, lautlose, metallisch glitzernde Pünktchen am Himmel, so klein, dass sie beinahe wie Störungen auf der Netzhaut wirkten, ähnlich den wimmelnden Punkten, die Prabir sah, wenn er zu lange in den wolkenlosen Himmel gestarrt hatte. Ob sie nun die Insel nach Stützpunkten der Rebellen absuchten oder einfach nach irgendwohin unterwegs waren, es fiel auf jeden Fall schwer, sich bedroht zu fühlen, wenn man nicht mehr als einen glitzernden Punkt sah.
Dasselbe galt für die gesamte Krise: Sie war fern, irreal und unmöglich in Details aufzulösen. Anfang Februar hatte man ihren Netzzugang gekappt; vermutlich hatte jemand in Java den Stecker für die gesamte Provinz gezogen. Dafür konnten sie immer noch BBC auf Kurzwelle empfangen, wenn auch nur fragmentarisch, und der Informationsgehalt einer Sendung, die innerhalb einer Stunde ganz Ostasien abdeckte, war naturgemäß beschränkt. Zumindest stand fest, dass die regionalen Unabhängigkeitsbewegungen gegenseitig voneinander profitierten: Gegenwärtig kämpften die Separatisten in Aceh gegen Regierungstruppen um die Herrschaft über die Hauptstadt des Distrikts, während die OPM in Irian Jaya einen Armeestützpunkt in Jayapura bombardiert hatte – eine überraschende Aktion einer Gruppe, deren Bewaffnung zumeist als ›steinzeitlich‹ beschrieben wurde. Dramatische Ereignisse wie diese wurden selbstverständlich in den Nachrichtensendungen erwähnt, doch über die alltägliche Situation in Tual oder Ambon wurde nie ein einziges Wort verloren. Eine Website in den Niederlanden hatte individuelle Berichte für jede bewohnte Inselgruppe der Molukken angeboten, und die Betreiber hatten die indonesischen Zensoren durch phantasievolle Umleitungen ausgetrickst, was jedoch nur bis zum allgemeinen Blackout funktioniert hatte. Prabirs Vater hatte ihn gewarnt, dass die Seite vermutlich von ausgebürgerten ABRMS-Mitgliedern betrieben wurde, aber das war Prabir gleichgültig. Er war nicht daran interessiert, die Stimme der Neutralität zu wahren. Er wünschte sich eine Flutwelle der Propaganda, die über die Inseln schwappte und den unblutigen Sieg der Rebellen verkündete. Er wünschte sich, ganz Indonesien würde erkennen, dass man sich unbeschadet aus der Asche des brennenden Imperiums erheben konnte.
Prabir stellte das ›N‹ fertig und bewegte sich vorsichtig zur Leiter zurück. Die Farbe würde die Energieversorgung um etwa ein Fünftel reduzieren, aber solange die Satellitenverbindung abgeschaltet war, blieb ihnen noch genügend, um alles andere zu betreiben. Als er mit dem Abstieg begann, wimmerte Madhusree, weil man ihr nicht erlaubte, nach oben zu klettern und zu sehen, was er geschrieben hatte. Seine Mutter versuchte sie zu trösten, sie gurrte und strich ihr über das Haar, als wäre wirklich etwas Schlimmes geschehen. Prabir sagte hinterlistig: »Sie kann das nächste Dach machen. Ich habe nichts dagegen. Willst du es, Maddy?« Er warf ihr einen Blick voller Bewunderung und Sympathie zu, den sie mit offenem Erstaunen erwiderte, während ihr Geheul zu einem halbherzigen Pfeifen erstarb.
»Red keinen Unsinn«, sagte seine Mutter erschöpft. »Du weißt genau, dass sie es nicht kann.« Madhusree begann wieder zu heulen. Prabir trug die Leiter zur nächsten Hütte.
»Wann wirst du endlich erwachsen? Manchmal bist du noch ein richtiges Baby!« Prabir hatte die Leiter bereits zur Hälfte erstiegen, als er erkannte, dass diese Worte ihm galten. Er stieg weiter, während sein Gesicht glühte. Er hätte am lieben zurückgeschrien: Es war nur ein Scherz! Und ich kann mich viel besser um sie kümmern als du! Doch er hatte gelernt, dass es bestimmte Dinge gab, die er lieber nicht ansprechen sollte. Also konzentrierte er sich auf das Schreiben und hielt den Mund.
Als er zurückkam, wimmerte Madhusree noch immer. »Sie kann mir bei einer Wand helfen«, sagte Prabir.
Seine Mutter nickte und stellte Madhusree auf den Boden. Madhusree beobachtete Prabir verbittert und hielt sich an ihrer Mutter fest, als sie spürte, dass sie vielleicht noch mehr aus der Situation herausholen konnte. Prabir warf ihr einen warnenden Blick zu, worauf sie es sich anders überlegte und zu ihm hinüberwatschelte. Er reichte ihr die Spraydose und ging hinter ihr in die Hocke, um ihre Hand zu führen, während sie auf den Sprühkopf
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