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Teranesia

Titel: Teranesia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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Alters mit sonnengegerbter Haut – was kein Wunder war, wenn er sich in den vergangenen drei Wochen auf See aufgehalten hatte. Am gleichen Tisch saßen zwei weitere Männer, die sich angestrengt mit irgendeinem Ausdruck beschäftigten. Er schüttelte geistesabwesend Lowes Hand und stellte sich vor.
    »Suchen Sie jemanden?«, fragte Lowe freundlich.
    Prabir zögerte; er konnte seine Absichten unmöglich einem von Madhusrees Kollegen anvertrauen, bevor er mit ihr selbst gesprochen hatte. »Ist die gesamte Expedition hier einquartiert? In diesem Hotel?«
    »Expedition? Ach so. Ich glaube, Sie sollten sich lieber setzen.«
    Prabir nahm an ihrem Tisch Platz. »Sie meinen sicher die Biologen, nicht wahr?«, fragte Lowe. »Ich fürchte, Sie haben sie verpasst. Sie sind schon vor Wochen abgereist. Sie haben sich ein Schiff genommen und sind nach Süden aufgebrochen.«
    »Ich dachte, sie wären inzwischen zurückgekehrt.« Prabir blinzelte ihn verwirrt an. Er hatte in Darwin neun Stunden geschlafen und sich nach dem Aufwachen völlig normal gefühlt, doch jetzt schienen ihn die Auswirkungen des Jetlags einzuholen. »Ich dachte, Sie sagten, Sie wären…«
    »Sie dachten, ich gehöre dazu? Um Himmels willen, nein!« Der ältere Mann, der ihnen gegenüber saß, blickte von seiner Arbeit auf. »Hunt«, sagte Lowe, »das ist Prabir Suresh, aus irgendeinem unerfindlichen Grund ist er auf der Suche nach den Biologen. Hunter J. Cole, von der Georgetown University. Und das ist Mike Carpenter, einer seiner Doktoranden.«
    Prabir beugte sich über den Tisch und gab den Männern die Hand. Der Rezeptionsangestellte hatte sich nicht getäuscht; das Hotel war tatsächlich voller ausländischer Akademiker. Aber wenn die Biologen noch nicht zurückgekehrt waren – wer waren dann diese Leute?
    »Sind Sie auch hier, um die Effloreszenz zu beobachten?« Cole hatte ein starres, recht zurückhaltendes Lächeln, als wüsste er aus jahrelanger Erfahrung, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er etwas überwältigend Intelligentes sagte, sodass er sich bereits jetzt in Prabirs zu erwartender Bewunderung sonnte.
    »Ich denke schon. Allerdings habe ich noch nie von dieser Bezeichnung gehört.«
    »Meine Terminologie«, gestand Cole ein und vollführte eine wegwerfende Geste. »Meine Taxonomie der Eukatastrophe wurde nur von wenigen gelesen. Und von noch wenigeren verstanden.«
    Prabirs Verwirrung nahm zu. Der Titel klang, als hätte er ihn eigentlich verstehen müssen – hatte er vielleicht etwas mit Populationsökologie zu tun? –, aber die genaue Bedeutung war ihm ein völliges Rätsel.
    »Ganz gleich, welche Terminologie wir benutzen«, entgegnete Lowe ernsthaft, »was wir hier erleben, ist die klassische Manifestation des archetypischen Trickkünstlers, der unbeschwert den engen Rahmen des evolutionären Reduktionismus sprengt. Nachdem die lokale Mythologie fast zweihundert Jahre lang in Wartestellung verharrte, hat sie nun endlich die idealen Voraussetzungen für eine Unterminierung der wallaceschen Mutmaßungen geschaffen. Das korreliert hervorragend mit meinem übergreifenden Modell der Natur als ›ungebärdiges Weib‹: zerstörerisch fruchtbar, bösartig und auf subversive Weise freigebig.«
    Cole lächelte zufrieden. »Das ist ein interessanter Ansatz, Martin, aber ich erkenne eine Reihe sehr problematischer Aspekte. Die einzige Tatsache, die wir zu diesem Zeitpunkt mit einiger Sicherheit behaupten können, lautet, dass wir uns in eine Suspensionszone bewegen, in der die normale Logik und die Kausalität vorübergehend außer Kraft gesetzt sind. Eine Reifizierung des disruptiven Impulses impliziert die Voraussetzung, dass jeder teleologische Prozess ein Agens erfordert, was in letzter Konsequenz ein Missverständnis der gesamten Dynamik der Unrichtigkeit bedeutet.«
    Prabir erlebte ein heftiges Déjà-vu. Keith und Amita hatten auf genau dieselbe Weise argumentiert und mit denselben idiotischen Neologismen und aufgeblasenen Synonymen um sich geworfen. Es war, als würde man zwei minderwertigen Computerprogrammen zuhören, die sich gegenseitig davon zu überzeugen versuchten, dass sie intelligent waren. Er warf einen hoffnungsvollen Blick auf Coles Studenten Carpenter; seine Generation musste einfach wieder ein gewisses Interesse an der Realität gewonnen haben – und sei es nur als Rebellion gegen ein halbes Jahrhundert bedeutungsfreien Geschwätzes.
    Carpenter deutete mit einem ehrfürchtigen Kopfnicken auf seinen Mentor. »Man

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