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Teranesia

Titel: Teranesia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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größtenteils durch die Passanten verdeckt wurde. Irgendein Tier war unprofessionell seziert worden; die Teile waren auf einem blutigen Leintuch ausgebreitet worden. Zögernd trat er näher. Die Eingeweide und herausgetrennten Knochen bedeuteten ihm nichts; das Zielpublikum war vermutlich hinreichend mit Schlachtungen vertraut und wusste, womit es beeindruckt werden sollte. Der Schädel sah aus wie der eines kleinen Beuteltiers, eines Baumkängurus oder eines Kuskus. Einige Teile der Haut waren dicht behaart, andere waren mit glänzenden braunen Schuppen bedeckt. Aber wenn es sich bei diesem Geschöpf wirklich um eine wundersame Schimäre handelte, warum hatte man es dann zerlegt und damit die Wirkung vermindert?
    Eine Frau aus der Gruppe der Missionare öffnete die Augen und strahlte ihn an. Aufgrund seiner Kleidung und des Rucksacks schien sie ihn sofort für einen Fremden zu halten, denn nun sprach sie ihn in stockendem Englisch an. »Die Endzeit, Bruder! Die Endzeit kommt zu uns!«
    Prabir erwiderte bedauernd auf Bengali, dass er keine Ahnung hatte, wovon sie sprach.
    *
    Der Angestellte an der Rezeption des Hotels Amboina war viel zu höflich, um laut aufzulachen, als Prabir fragte, wo er möglichst billig ein Schiff mieten könnte. Die äußerst diplomatisch formulierte Antwort lief darauf hinaus, dass er den Begriff ›billig‹ streichen sollte, um sich dann in die lange Schlange der Wartenden einzureihen. Jeder, der in den vergangenen zwei Monaten in der Stadt eingetroffen war, wollte ein Schiff mieten; die Anbieter diktierten die Preise.
    Das war kein guter Anfang, aber Prabir unterdrückte seinen Drang, sich in Pessimismus zu ergehen. »Vor etwa drei Wochen muss eine Gruppe aus zwanzig Personen durch Ambon gekommen sein. Wissenschaftler auf einer Expedition im Auftrag ausländischer Universitäten. Haben Sie irgendetwas davon gehört?« Es gab ein Dutzend anderer Hotels, wo sie abgestiegen sein konnten, aber er hatte nichts zu verlieren, wenn er fragte.
    »Nein. Aber wir haben hier viele Gäste von ausländischen Universitäten.«
    »Meinen Sie generell? Oder zur Zeit in diesem Hotel?«
    Der Mann blickte auf seine Uhr. »Zur Zeit hauptsächlich in der Bar dieses Hotels.«
    Prabir wollte nicht glauben, dass er ein solches Glück hatte. Sie mussten die erste Phase ihrer Arbeit abgeschlossen haben, worauf sie zur Basis zurückgekehrt waren, um sich zu erholen. Es war undenkbar, dass sie die ganze Zeit hier festgesessen hatten; zweifellos hatten sie sich bereits im Voraus eine Transportgelegenheit organisiert.
    Er hockte vierzig Minuten lang auf seinem Zimmer und überlegte, was genau er zu Madhusree sagen würde. Wie er seine Anwesenheit erklären sollte, was er vorzuschlagen hatte. Wenn er sie über sein Notepad von Toronto aus angerufen hätte, hätte sie ihn überredet, dort zu bleiben, aber so war die Situation kaum besser. Er hatte sich vorgestellt, sie an einem abgelegenen Ort aufzuspüren, wo sie ihn nicht einfach nach Hause schicken konnte, aber hier gab es nichts, was sie davon abhielt. Spätestens am folgenden Tag gab es immer einen Flug, der Ambon verließ.
    Er wollte sein Glück nicht überstrapazieren und darum bitten, die Expedition begleiten zu dürfen. Er würde vorschlagen, dass er im Hotel blieb, damit er sie jedes Mal sehen konnte, wenn sie in die Stadt zurückkehrte. Das würde ihr bestimmt nicht zu peinlich sein, oder?
    Die Bar öffnete sich auf einen schattigen Hof; alle Gäste saßen draußen, um die nachmittägliche Brise zu genießen. Prabir bestellte sich eine sirupzähe Fruchtsaftmischung, deren genauer Inhalt sich in keiner nichtindonesischen Sprache ausdrücken ließ. Der Barkeeper beteuerte, dass das Getränk keinen Alkohol enthielt, doch diese Behauptung gründete sich offenbar nur auf die zweifelhafte Vermutung, dass das Ganze nicht wie eine überreife Mangofrucht spontan vor seinen Augen vergären würde. Als Prabir daran nippte, musste er seinen Verdacht aufgeben: Die Zuckerkonzentration war hoch genug, um jeden Mikroorganismus allein durch die osmotische Wirkung unverzüglich umzubringen. Er wappnete sich und trat auf den Hof hinaus.
    Er suchte die Tische ab, doch Madhusree war nirgendwo zu sehen. Im Hof hielten sich nur etwa dreißig Personen auf, also dauerte es nicht lange, bis er sich überzeugt hatte, dass sie nicht darunter war.
    Jemand streckte ihm eine Hand entgegen. »Martin Lowe, von der Universität Melbourne.« Prabir drehte sich um. Lowe war ein Mann mittleren

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