Teranesia
Universität? Ich bin erst seit sechs Tagen hier; sie sind schon vor mehreren Wochen abgereist.«
»Sie gehören nicht zur Expedition?«
»Wohl kaum. Ich arbeite selbständig.«
»Sie hatten überhaupt keinen Kontakt zu den Leuten?«
»Nein.« Sie blickte sich zu Prabir um, ohne langsamer zu werden. »Können Sie die betreffende Person nicht einfach anrufen? Es dürfte eigentlich keine Schwierigkeiten geben, eine Verbindung zu bekommen.«
»Es ist meine Schwester. Nein, ich kann sie nicht anrufen.« Vorsichtshalber fügte er hinzu: »Es ist sehr kompliziert.«
Die Frau zuckte die Achseln; es ging sie nichts an. »Tut mir Leid. Aber ich weiß wirklich nicht, wohin sie gefahren sind.«
Prabir war zutiefst enttäuscht, aber er bemühte sich, nicht die Perspektive zu verlieren. Bevor er im Hotel eingetroffen war, hatte er damit gerechnet, in den ersten Tagen nichts zu erfahren, das ihn weiterbrachte.
»Dann wünsche ich Ihnen viel Glück mit dem Speichel«, sagte er. »Es ist mir unbegreiflich, wie Sie eine Hotelbar ohne einen Sequencer in der Tasche betreten konnten.«
Sie lachte. »Ein unverzeihliches Versäumnis, nicht wahr? Ich habe eine Kamera dabei, die kaum größer ist, aber ich habe nicht einen Augenblick daran gedacht, sie zu benutzen. Ein Sequencer dagegen wäre tausendmal sinnvoller gewesen… aber leider musste ich ihn auf dem Schiff zurücklassen.«
Prabir gab sich keine Mühe, sein Erstaunen zu verbergen. »Sie haben ein Schiff? Und dann sind Sie nach sechs Tagen immer noch hier?«
»Kommen Sie nicht auf die Idee, mich zu hetzen!« Sie warf ihm einen finsteren Blick zu. »Ich habe mir drei Tage gegeben, um Vorräte zu kaufen und einen Reiseführer zu engagieren. Aber jeder, mit dem ich bisher gesprochen habe, will seine gesamte Verwandtschaft und Bekanntschaft ins Geschäft einbeziehen. Kein Guide ohne komplette Mannschaft.«
»Sie haben schon eine Mannschaft?«
Sie verdrehte die Augen. »Es ist ein brandneues MHD-Schiff, kein prahu mit Segeln und Masten und Takelage. Für eine komplette Besatzung gäbe es gar nichts zu tun, außer auf meine Kosten zu angeln und in der Sonne zu faulenzen. Ich bin mit dem Schiff von Sulawesi hergefahren; ich komme problemlos allein damit zurecht. Ich habe meine Promotion in Aberdeen finanziert, indem ich zeitweise auf einem Nordseetrawler gearbeitet habe. Im Vergleich dazu wirkt diese Gegend auf mich wie ein harmloser Ententeich.«
Prabir fragte sich, ob ihr noch nie der Gedanke gekommen war, dass nicht unbedingt jeder auf Ambon ihre seemännischen Fähigkeiten bezweifelte oder sie nur abzocken wollte. Für die meisten Männer von der Insel wäre es einfach undenkbar, sich ganz allein mit einer Ausländerin an Bord eines Schiffes zu begeben, und unter den Frauen gab es bestimmt nur sehr wenige, die bereit gewesen wären, einen solchen Job zu übernehmen. Es wäre also das Einfachste, sich mit der Notwendigkeit abzufinden, so viele Begleiter anzuheuern, wie es der Anstand erforderte.
Allerdings gab es noch eine kostengünstigere Alternative.
»Wenn Sie sich auf der Nordsee behauptet haben, würde ich mich Ihnen jederzeit in diesen Gewässern anvertrauen«, sagte er. »Außerdem bin ich auf diesen Inseln aufgewachsen.«
»Wirklich?«
Er nickte bedeutsam. Er war entschlossen, sie nicht anzulügen, sondern höchstens ein paar Fakten auszulassen. »Ich wurde in Kalkutta geboren, aber meine Familie zog hierher, als ich sechs war. Jetzt lebe ich in Kanada, aber ich betrachte diese Region immer noch als…« Er verstummte, da er es nicht fertigbrachte, das Wort auszusprechen, obwohl ihm dann einige ehrlichere Möglichkeiten in den Sinn kamen.
Sie hatten den Hafen fast erreicht. Die Frau blieb stehen und streckte ihm eine Hand entgegen.
»Ich bin Martha Grant.«
»Prabir Suresh.«
Sie hob ihren Unterarm und inspizierte die Wunde. »Ich schwitze wie ein Schwein«, erklärte sie. »Ich werde nichts mehr finden. Inzwischen dürfte alles fortgespült oder zersetzt sein.«
Über ihren Arm zog sich ein roter Striemen. »Vergessen Sie die DNS«, sagte Prabir. »Tränken Sie den gesamten Unterarm in Desinfektionsmittel und nehmen Sie jedes Antibiotikum, das in Reichweite ist. Sie hätten sehen sollen, was mit dem Bein meiner Mutter geschah, als sie einmal von einem Insekt gebissen wurde. Sie sollten keine Risiken eingehen.«
»Ja.« Grant rieb sich die Augen und lächelte ihn schuldbewusst an. »Welch eine Farce! Dieser Vogel flog mir praktisch in den Schoß, wie ein
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