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Teranesia

Titel: Teranesia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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keine Beweise. Die individuellen Exemplare, die wir mitgenommen haben, weisen deutliche Anzeichen einer nicht weit zurückliegenden Verwandtschaft auf. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob es sich vielleicht noch um separate Spezies handelt.«
    »Jetzt verstehe ich gar nichts mehr.« Er lachte. »Sie sehen gleich aus, sie besitzen die gleichen exotischen Blutproteine, aber Sie glauben, dass sie ganz unterschiedliche Ursprünge haben?«
    Grant spreizte die Hände auf der Arbeitsfläche. »Ich habe keine Gewissheit, aber für mich sieht es so aus, als hätte eine Konvergenz stattgefunden, als hätten alle Tauben innerhalb weniger Generationen dieselben Merkmale erworben, ohne sich zu kreuzen. Irgendetwas hat dieselben Gene für die Blutproteine und die Tarnfärbung unabhängig voneinander in mindestens vier verschiedenen Spezies hervorgebracht.«
    Prabir setzte sich neben sie auf einen Hocker. »Irgendetwas?« Das war absurd, sie musste sich irren, aber er war kaum qualifiziert, ihr zu sagen, an welchem Punkt ihrer Analyse sie sich getäuscht hatte. »Was wollen Sie damit andeuten? Dass hier ein Retrovirus am Werk ist, das eine Reihe von Fruchttaubengenen in alles einbaut, was es infiziert – einschließlich einiger Gene, die zufällig genau das darstellen, was Fruchttauben benötigen, um sich im Laub unsichtbar zu machen?«
    Grant verzog das Gesicht. »Ich habe noch nicht vollends den Verstand verloren. Und mir schwirren auch keine Viren im Kopf herum, wie es bei Ihnen der Fall zu sein scheint.«
    »Okay, ich werde nichts mehr über Viren sagen. Aber wodurch wird es dann bewirkt? Woher sind diese Gene gekommen?«
    Sie starrte auf ihren Arbeitstisch, immer noch verärgert über ihn. Er war jedoch überzeugt, dass sie eine Antwort hatte; sie war nur noch nicht bereit, sie in Worte zu fassen.
    »Ich weiß, wie wichtig es für Sie ist, Vorsicht walten zu lassen«, sagte Prabir behutsam. »Aber ich werde Ihre Theorie weder an Nature weitersagen noch Ihre Daten an einen rivalisierenden Pharmakonzern verkaufen. Falls ich jedoch in Gefahr schwebe, Kinder mit hellgrünen Federn zu zeugen, finde ich, dass ich davon erfahren sollte. Oder sind Sie anderer Meinung?«
    Er bedauerte seine Worte, kaum dass er sie ausgesprochen hatte, aber Grants Gesichtsausdruck besänftigte sich. Sie sagte: »Wenn sich diese Tauben seit mehreren hunderttausend Jahren nicht mehr miteinander gekreuzt haben, was haben sie dann noch miteinander gemeinsam?«
    Prabir hob die Schultern. »Den gleichen Lebensraum.«
    »Und was noch?«
    »Ich weiß es nicht. Ich schätze, sie haben immer noch den größten Teil der Gene gemeinsam, die auf ihren letzten gemeinsamen Vorfahren zurückgehen.«
    »Genau«, sagte Grant. »Aber nicht nur aktive Gene, sondern auch ganze Stränge stillgelegter DNS. Verstehen Sie? Das muss die Ursache all dieser ›Innovationen‹ sein – es sind gar keine Innovationen! Es ist unmöglich, dass funktionsfähige Gene innerhalb von zwei oder drei Generationen aus dem Nichts entstehen. Das geht einfach nicht! Eine zufällige Sequenz von Aminosäuren bringt nicht einfach nur ein nutzloses Protein hervor, es führt zu einem schlecht konstruierten Protein, einem Molekül, das sich nicht einmal vorhersagbar zu einer bestimmten, wohldefinierten Gestalt faltet. Diese Blutproteine dagegen sind perfekt konstruiert. Ihre Konformation weist Energiesenken auf, die genauso deutlich ausgeprägt sind wie beim Hämoglobin. Dasselbe gilt für die Proteine zur Morphogenese der Pigmentierung, die die Tarnfärbung zur Folge haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas durch Zufall entsteht – aus dem Nichts, innerhalb des Zeitrahmens, über den wir hier reden – ist praktisch gleich Null.
    Irgendwie müssen diese Vögel Gene von einem früheren gemeinsamen Vorfahren repariert und reaktiviert haben. Sie haben sich aus den Archiven bedient und verstaubte Baupläne hervorgeholt, die seit Millionen von Jahren nicht mehr benutzt wurden.« Sie schüttelte den Kopf und lächelte halbherzig, schockiert über ihre eigene Kühnheit, aber gleichzeitig triumphierend. »Genau das hatte ich schon die ganze Zeit vermutet, aber das hier macht den Fall wesentlich klarer.«
    Prabir konnte ihr noch nicht ganz folgen. »Sie wollen damit sagen, dass all diese verschiedenen Taubenarten eine Möglichkeit gefunden haben, fossile Gene wiederzubeleben, die in ihrer DNS verschüttet waren, und weil sie alle fast das gleiche alte Gepäck mit sich herumschleppen, haben sich bei

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