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Teranesia

Titel: Teranesia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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allen dieselben Merkmale herausgebildet?«
    »Richtig.«
    »Also sind alle zum Erscheinungsbild einer Urform zurückgekehrt, die eine Tarnfärbung benötigte, um sich vor wilden Räubern zu schützen. Und vermutlich haben sie nicht nur ihr buntes Gefieder verloren, sondern gleichzeitig auch die Affinität für Sexualpartner mit buntem Gefieder, denn ansonsten wären sie inzwischen längst ausgestorben.«
    »So scheint es.«
    »Und wenn ein Baumfrosch oder eine Fledermaus dasselbe mit der eigenen DNS anstellt, kommt ein völlig anderes, aber nichtsdestoweniger brauchbares Resultat heraus, weil sie nur auf etwas zurückgreifen, das vor ein paar Millionen Jahren für einen Frosch oder eine Fledermaus eine sinnvolle Anpassung war.«
    »Ja. Das ist die Theorie.«
    Prabir wischte sich mit einer Hand übers Gesicht; er hatte vergessen, wie müde er war, doch nachdem sie sich neun Stunden durch die Plantage gekämpft hatten, bestand sein Gehirn nur noch aus Matsch. »Soweit kann ich Ihnen folgen. Jetzt erklären Sie mir bitte ganz langsam das nächste Problem: Warum geschieht all das in so vielen unterschiedlichen Arten? Und wie geschieht es?«
    Grant zögerte, als wollte sie hier einen Schlussstrich ziehen, doch dann schien sie zur Erkenntnis zu gelangen, dass sie nichts mehr zu verlieren hatte. »Ich kann mir nur einen Grund für die angeborene Fähigkeit zu dieser Regression vorstellen«, sagte sie. »Nämlich die Reaktion auf eine Schädigung der DNS. Bisher hat niemand einen Reparaturmechanismus beobachtet, der auf diese Weise funktioniert, aber seit vielen Jahren ist bekannt, dass aktive Gene bestimmte Arten von Schäden erleiden können, die nicht auf die übrigen Teile des Chromosoms übergreifen. Die Reaktivierung alter Sequenzen, die nicht mehr benutzt werden, könnte eine Art allerletztes Notprogramm sein, weil selbst die zufälligen Kopierfehler, die sich im Laufe der Zeit in der DNS angesammelt haben, möglicherweise weniger Schaden anrichten als das, was die Funktion der moderneren Gene beeinträchtigt.«
    Prabir wagte es nicht auszusprechen, aber das klang für ihn auf unheimliche Weise genauso, als wollte man einen abgestürzten Computer retten, indem man im Extremfall auf längst eingemottete Backups zurückgriff. Außerdem schien es so sehr von konventionellen Vorstellungen über die Organisation eines Genoms abzuweichen, dass ihm Grants anfänglicher Unwille, über ihre Hypothese zu sprechen – was er zunächst als paranoide Reaktion interpretiert hatte –, nun eher wie eine Selbstschutzmaßnahme vorkam.
    »Könnte das nicht für Körperzellen sehr praktisch sein, um bestimmte Formen von Krebs zu stoppen?«, schlug er vor. »Wenn beispielsweise irgendein Gen zur Wachstumsregulierung in einer Zelle in meinen Eingeweiden beschädigt wurde, könnte die Zelle doch eine Kopie des Gens reaktivieren, das zufällig vor tausend Generationen dupliziert und seitdem nicht mehr benutzt wurde.«
    »Völlig richtig. Und unter normalen Umständen hätte das keinerlei sichtbare Auswirkungen. Wenn ein Erwachsener in einigen wenigen Darmzellen oder auch Hautzellen plötzlich ein archaisches Protein produziert, hat das keine tiefgreifenden anatomischen Veränderungen zur Folge. Und selbst wenn dieser Prozess in einem frühen Embryonalstadium gestartet würde, entstünde lediglich ein verändertes Individuum, das völlig normale Nachkommen zeugen könnte. Damit solche Veränderungen vererbt werden können, müsste der Vorgang in den Keimzellen stattfinden. Und genau das scheint hier geschehen zu sein, aber fragen Sie mich nicht, warum, weil ich keine Ahnung habe.«
    »Gut. Aber wenn es eine Reaktionen auf Schädigungen der DNS ist, was hat sie dann ausgelöst? Wäre dazu nicht trotzdem ein starkes Mutagen erforderlich, auch wenn das, was wir beobachten, weniger die direkten Folgen des Problems, sondern eher das Resultat der Bewältigung des Problems darstellen?«
    »Möglicherweise. Sofern die Aktivierung nicht unzulänglich ist oder die Tiere auf einen ganz anderen Stressfaktor überreagieren.« Grant nahm ihr Notepad von der Arbeitsplatte und blätterte die Sequenz der Codons durch. »Ich habe noch nicht alle Antworten; ich bin noch nicht einmal in die Nähe einer Lösung gekommen. Wir können es nur verstehen, wenn wir den gesamten Mechanismus aufdröseln. Dazu müssen die Gene identifiziert werden, die in jeder betroffenen Spezies aktiviert wurden, dann die Proteine, die in diesen Sequenzen codiert sind, ihre Funktion

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