Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Teranesia

Titel: Teranesia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
Vom Netzwerk:
anscheinend auf einem versunkenen Vulkankegel gewachsen waren. Sie hatten kaum die erste Palme passiert, als sich auch schon ein Schwarm winziger Fliegen auf sie stürzte, um ihnen gnadenlos das Blut auszusaugen.
    Sie zogen sich auf den Strand zurück. Grant bedeckte die Augen mit der Hand, während Prabir sie rundum mit dem Insektenabwehrmittel einsprühte. Ihr Unbehagen über die Behandlung kam ihm ziemlich übertrieben vor, dabei konnte er das Zeug nicht einmal riechen. »Sie sind doch hoffentlich nicht dagegen allergisch, oder?« Er las die Warnhinweise auf der Dose durch; wenn sie einen Schock erlitt, musste er schnellstens etwas aus dem Arzneischrank an Bord des Schiffes holen.
    »Nein. Es ist nur so kalt.«
    Als sie die Rollen tauschten, musste Prabir feststellen, dass sie keineswegs übertrieben hatte. Das Lösungsmittel verdunstete so schnell, dass es sich anfühlte, als würde man mit einem feinen Eisnebel eingesprüht. »Wenn wir uns selbst so manipulieren könnten«, dachte er laut nach, »dass wir Isopropylalkohol ausschwitzen, hätte die Luftfeuchtigkeit keine Auswirkung auf die Effizienz des Vorgangs. Was meinen Sie?« Die Revolution wird kommen. Aber die Revolution ließ sich noch etwas Zeit.
    »Ich meine, dass Sie einen Sonnenstich haben.«
    Sie wagten einen erneuten Vorstoß in den Dschungel. Die Insekten ließen sie in Ruhe, aber das Unterholz war noch undurchdringlicher als auf Banda Neira. Zwischen den vertrauten Farnen wucherten dichte, dornige Sträucher, die Prabir noch nie zuvor gesehen hatte. Er riss einen gespickten, ledrigen Zweig ab und zeigte ihn Grant. »Wozu sind diese Dornen da? Ich weiß, dass es viele Vögel gibt, die sich von jungen Trieben ernähren, aber was könnte es hier geben, das versuchen würde, etwas so Altes und Zähes zu fressen?«
    Grant runzelte die Stirn. »Keine Ahnung. Soweit ich weiß, sind alle einheimischen Eidechsen Insektivoren. Hier im Osten stößt man gelegentlich auf Hirsche, aber nur, wo sie von Menschen eingeführt wurden. Wenn es Sie interessiert, kann ich später versuchen, es zu identifizieren.«
    Prabir steckte den Zweig in seinen Rucksack. »Sie glauben, dass auch Pflanzen betroffen sein könnten?«
    »Wahrscheinlich sind nur von irgendwo ein paar Samen vom Wind herangeweht worden.« Dann packte sie ihn plötzlich an der Schulter. »Schauen Sie!«
    Zehn Meter entfernt saß auf einem Ast ein pechschwarzer Kakadu, genau wie der, den sie in Ambon gesehen hatten, und beobachtete sie.
    »Ein Punkt für die Migrationstheorie«, sagte Prabir.
    Doch Grant machte keine Eingeständnisse. »Wenn auf Banda Neira vier unterschiedliche Spezies bis zur Ununterscheidbarkeit konvergieren, gibt es keinen Grund, warum so etwas nicht auch unabhängig voneinander hier und auf Ambon geschehen sollte.«
    Prabir musterte den Vogel unbehaglich. Die Zähne im Schnabel griffen nicht nur mit unheimlicher Präzision ineinander, sie beschränkten sich außerdem auf die Stellen, wo sich Unter- und Oberkiefer trafen; die große gebogene Spitze hatte keine Zähne. Selbst wenn sie dem Vogel keinen direkten Vorteil verschafften, gab es bestimmt keine Situation, in der sie völlig nutzlos wären, wenn es darum ging, etwas zu zerschneiden oder zu zermahlen. Andererseits hatte sich die spezialisierte Schnabelform, die ausgezeichnet an die Nahrung eines gewöhnlichen schwarzen Kakadus angepasst war, erst zu einer Zeit entwickelt, als seine Vorfahren längst jegliche Art von Zähnen aufgegeben hatten. Wie war es also möglich, dass die urtümlichen Reptiliengene, die angeblich für ihr Wiederauftreten verantwortlich waren, an genau den richtigen Stellen ein- und ausgeschaltet worden waren? Wie konnten zwei Gruppen von Genen, die niemals zuvor im selben Tier aktiv gewesen waren, plötzlich so harmonisch interagieren?
    Grant nahm den Vogel mit dem Betäubungsgewehr ins Visier. Der Pfeil traf ins Ziel und blieb stecken, aber er wirkte nicht so schnell wie bei den wesentlich leichteren Tauben. Der Kakadu erhob sich mit wütendem Gekreisch vom Ast, während sich seine federlosen roten Wangen blau verfärbten. Er schoss direkt auf sie zu und hatte sie fast erreicht, als er schließlich abstürzte.
    Prabir schob sich vor und suchte im Dickicht nach dem Tier, während er die Flugbahn noch genau vor Augen hatte. Grant half ihm. Gemeinsam durchkämmten sie das Gebüsch fünf Minuten lang – ohne Erfolg. Offenbar war der Vogel schwer genug, um durch die Vegetation bis zum Boden zu

Weitere Kostenlose Bücher