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Teranesia

Titel: Teranesia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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eingewickelt, bevor der Kopf in Reichweite käme.
    Dann stach er wild auf den Körper der Schlange ein, indem er mit dem Arm weit ausholte. Die Klinge glitt von der Haut ab. Er riss sich zusammen; er verschwendete seine Energie, wenn er die Hand aufs Wasser klatschen ließ. Also tauchte er beide Hände unter und stieß das Messer mit aller Kraft seiner Arme und seines Rückens genau in Richtung seines Bauches – ein Seppuku zur Selbstverteidigung. Die Klinge drang durch die ledrige Haut und verschwand bis zum Griff. Er versuchte es zur Seite zu ziehen, um den Schnitt zu vergrößern. Für einen Moment berauschte er sich an einer triumphalen Vision, wie er die Schlange vom Kopf bis zur Schwanzspitze aufschlitzte. Doch das Messer rührte sich nicht von der Stelle; es war, als wollte er auf diese Weise einen Baumstamm zerschneiden. Er zog das Messer wieder heraus und wiederholte das Harakiri-Manöver, das sich als erfolgreich erwiesen hatte. Doch als die Klinge diesmal die Schlangenhaut berührte, bewegte sich das Tier, wodurch ihm das Messer aus den Händen gerissen wurde.
    Er bückte sich und suchte danach. Die Schlange brachte ihn mit einem Ruck aus dem Gleichgewicht und tauchte ihn völlig unter. Er tastete im Schlamm, aber er konnte das Messer nirgendwo finden. Dann hob er das Gesicht und streckte den Rücken, um an die Oberfläche zu kommen und prustend nach Luft zu schnappen. Wieder sah er vor sich die verräterischen Wellen; die Schlange hatte beinahe ihre zweite Schlinge geschlossen. Grant konnte es vielleicht schaffen, an ihren Kopf zu gelangen. Vielleicht fand sie eine Möglichkeit, sie anzugreifen, ohne ihr eigenes Leben zu gefährden.
    Und wenn nicht?
    Sie würde sich nicht zur Märtyrerin machen. Und wenn sie nichts für ihn tun konnte und er vor ihren Augen starb, würde sie nicht an dieser Erfahrung zugrunde gehen. Sie war kein Kind mehr.
    Er füllte seine Lungen mit Luft und brüllte: »Gra-a-a-ant! Helfen Sie mir!« Die Schlange hatte endlich eine Methode gefunden, wie sie ein zweibeiniges Geschöpf ertränken konnte: Prabir spürte, wie sich die Spannung der Muskeln veränderte und der Winkel der Windungen neigte, sodass er nach unten gedrückt wurde. Er versuchte noch einmal die Lungen zu füllen, solange er noch die Gelegenheit dazu hatte, aber die Klammer unter seinem Brustkorb hatte sein verfügbares Lungenvolumen bereits erheblich verringert. Es fühlte sich an, als wäre da plötzlich eine Mauer.
    Dann ging er unter.
    Prabir lag unter Wasser und wehrte sich nicht mehr, während schwache Lichtreflexe vor seinen Augen tanzten. So war es nicht richtig: Er hätte stattdessen im Minenfeld des Gartens sterben sollen. Die erste Explosion hätte vollauf genügt, ihn auf der Stelle zu töten. Niemand hätte ihm folgen müssen. Seine Eltern hätten den Rest ihres Lebens um ihn getrauert, aber ihnen wäre immer noch Madhusree geblieben – und Madhusree hätte noch ihre Eltern gehabt.
    Plötzlich hörte er ein lautes, regelmäßiges, klatschendes Geräusch. Es war nicht die Schlange, die hyperaktiv geworden war, sondern jemand schlug mit einem schweren Gegenstand auf das Wasser. Nach und nach veränderte sich die Tonhöhe, als würde sich der Lärm in immer seichteres Wasser verlagern. Dann folgte ein lauter, dumpfer Schlag, wie Holz auf Holz.
    Die Muskulatur der Schlange erschlaffte spürbar. Prabir kämpfte sich mit dem Kopf nach oben. Er konnte ein wenig Atem schöpfen, dann sah er die untere Hälfte eines Menschen, der am Ufer stand. Nicht Grant, sondern eine Frau mit bloßen, dunklen Beinen. Die Schlange erwachte zuckend wieder zum Leben und riss ihn erneut unter Wasser. Wieder setzten die Schläge ein, zehn- oder fünfzehnmal, mit großer Kraft ausgeführt.
    Als Prabir das nächste Mal mühsam nach Luft schnappte, hörte er, wie die Frau ins Wasser stieg. Er zweifelte nicht an seiner geistigen Zuverlässigkeit, weil er genau wusste, dass er nicht halluzinierte. Als er über das ungewöhnliche Wunder nachdachte, hatte er keine Angst um sie. Jetzt würde alles wieder in Ordnung kommen, nachdem sie sich wiedergefunden hatten.
    Die Frau redete hektisch in schlechtem Indonesisch auf ihn ein: »Sie müssen etwas tun, Sie müssen mir helfen! Die Schlange ist nur betäubt. Und ich kann sie nicht allein herausziehen.« Prabir zwang sich aufzustehen, kämpfte gegen das schlaffe Gewicht der Schlange. Diese Frau war nicht Madhusree.
    Sie half ihm, die Windungen weit genug zu lockern, dass er sich an ihren

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