Terra Anchronos (German Edition)
war.
„Keine Sorge“, beruhigte der Vater seinen Sohn, als sie schon im Flugzeug saßen. „Wir werden uns ein schö nes Motorboot ausleihen. Von der Küste Fidschis ist es nicht mehr weit. Das werden wir leicht schaffen.“
„Aber wir müssen doch von West nach Ost, also von Samoa nach Fidschi.“
„Nun wirf nicht gleich die Flinte ins Korn, Junge.
Mit dem Boot fahren wir einfach in verkehrter Richtung über die Datumsgrenze, machen einen großen Bogen und nehmen Anlauf. Diesmal dann von West nach Ost. Zufrieden?“
Arne war tatsächlich beruhigt. Nun galt es nur noch den Flug zu überstehen. Ewig lange Stunden, so kam es dem Jungen vor, musste er in dem riesigen Flugzeug sitzen. Das Einzige, was ihn ein wenig von dem sehnsüchtigen Gedanken an seine Freundin Martha ablenken konnte, war die Lektüre, die er in seinem Handgepäck mitgenommen hatte. Es waren die neueste Ausgabe von „Astronomie heute“ und die beiden Briefe, die der Astronom Stewart ihm geschrieben hatte.
Ein ums andere Mal las Arne von der sensationellen Neuigkeit, die in dem astronomischen Magazin abgedruckt war. Stewart hatte in seinem letzten Brief ebenfalls eine Kopie des Artikels beigelegt und dazu geschrieben:
Lieber Arne,
ich selber habe es nicht für möglich gehalten, doch es scheint Gewissheit zu sein. Den 29. Februar wird es wohl zum letzten Mal im Jahr 2008 gegeben haben. Die Sterne stehen nach wie vor konstant in einer Konstellation, die dem Vortag unseres Kalenders entspricht. Ich wage es allerdings nicht, der Welt mitzuteilen, warum das so ist. Man würde mir nicht glauben, dass ein kleiner Junge in der Terra anchronos, deren Existenz niemandem bekannt ist, an der Uhr gedreht hat. Die Wissenschaftler formulieren schon haarsträubende Theorien. Ich denke, man wird sich darauf einigen, dass ein Komet, der die Erde in geringer Entfernung passiert hat, Einfluss auf die Rotation unseres Planeten genommen hat. Das ist lächerlich. Nur Du und ich wissen, dass es sich ganz anders verhält. Ich werde mich an diesen Spekulationen nicht beteiligen. Wichtig ist nur, dass ich der Erste war, der die Sensation entdeckt hat. Das wird den Ruf meines Namens unter den Astronomen wiederherstellen. Du weißt schon. Denk an das Sternbild der Schlange. Ich freue mich jedenfalls, Dir mitteilen zu können, dass es unter Garantie im Laufe des Jahres noch zu einer Umstellung unserer Zeitrechnung kommen wird. Versprochen. Der 29. Februar ist endgültig Geschichte geworden.
Vielen lieben Dank für Deine Hilfe. Lass einmal von Dir hören.
Dein Freund Stewart
Nachdem Arne den Brief bestimmt zwanzig Mal gelesen hatte und Stewarts Worte durch den wissenschaftlichen Artikel bestätigt sah, lehnte er sich glücklich und zufrieden in seinem Sitz zurück. Wenig später schlief er ein.
Vom Rumpeln des Flugzeugs auf der Landebahn wurde Arne geweckt. Er hatte von Martha geträumt. Das Bild des Mädchens sah er im Moment des Aufwachens noch deutlich vor seinen Augen. Er verspürte Sehnsucht. Seine Ungeduld wuchs. Doch der Vater ließ sich nicht vom ständigen Bitten und Betteln des Sohnes verleiten.
„Wir werden nicht mitten in der Nacht mit einem Boot auf den Pazifik steuern und überhastet die Datumsgrenze suchen. Wenn wir auf den Fidschis angekommen sind, wird in aller Ruhe ein passendes Boot ausgesucht. Schließlich muss es eine zuverlässige Satellitenanlage haben, die uns genaue Auskunft über die Position gibt. Ich dachte, das wäre wichtig?“
Arne gab kleinlaut nach und fügte sich, auch wenn das Warten ihm zur Qual wurde. Aber selbst die fand am frühen Morgen des folgenden Tages bei Sonnenaufgang ihr Ende.
Endlich spürte Arne, wie das schöne Boot, das der Vater ausgesucht hatte, schnell über die Wellen flitzte und ihn mit jeder Umdrehung der Bootsschraube ein Stück näher zur Datumsgrenze und zu Martha trug.
„Darf ich auch mal?“
Arne stand neben seinem Vater, der eine Hand auf dem Gashebel des Bootes gelegt hatte und mit der anderen Hand routiniert wie ein erfahrener Seemann das Steuerrad hielt.
Der Kapitän lächelte seinen Sohn an. „Natürlich“, sagte er und machte bereitwillig Platz.
„Hier ist das Gas.“ Arnes Vater deutete auf den Hebel zu Arnes Rechten. „Leg’ ihn mal auf den Tisch.“
Arne sah seinen Vater nur fragend an.
„Vollgas, mein Junge. Den Hebel ganz nach vorn, bis es nicht mehr geht.“
Arne tat, was der Vater sagte, und fiel fast um, so sehr beschleunigte das Boot. Lachend warf der Kapitän
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