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Terra Mater

Terra Mater

Titel: Terra Mater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Bordage
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aneignete, diskutierte und sogar die Befehle des Hyponeriarchats ignorierte. Sehr schnell hatte er begriffen, worin die Stärke und die Schwäche menschlichen Denkens bestand: nämlich in der Weise wie sie es verstanden, dass sich das große Universum um ein kleines Universum – genannt Ego – drehte. Ungewöhnlich an dieser Impulsion war, dass die Meister-Creatoren im Gegensatz zu früher auf die Ausführung ihres Befehls bestanden. Dieses Mal musste er sich fügen.
    In seiner Eigenschaft als Exekutant der sechsten Stufe des PLANS und Scaythe der höheren Ebene war er befugt, Initiativen zu ergreifen, doch durfte er niemals gegen die Interessen des Hyponeriarchats handeln. Auch wenn er sich rühmte, ein Ego zu besitzen, hatten seine Gedanken keinen Einfluss auf die Schöpfung oder das Universum – das allein war das Privileg der Menschen. Ein außerordentliches Privileg, das die Scaythen zerstören wollten. Harkot war nichts als ein Keimling aus einem Matrix-Bottich, den die Meister-Creatoren jederzeit auflösen und durch einen anderen Keimling ersetzen konnten. Durch einen solchen Akt würden sie zwar an Informationen ärmer, doch an Sicherheit reicher werden.
    Sie hatten Harkot einen kleinen Vorgeschmack auf das gegeben, was ihn erwartete, sollte er sich ihren Befehlen verweigern. Seine Haut und seine inneren Organe fingen an zu schmerzen; Eiseskälte hatte sich in seinem Kopf ausgebreitet, dann das Gefühl, in einen Abgrund zu stürzen, wo er jegliches Zeit- und Raumgefühl verloren hatte. Sein
Körper – dieser missgestaltete Körper, den er so sehr hasste  – wurde von einem sauren Gas zerfressen, dessen Geruch ihn an die Nährlösung des Matrix-Bottichs erinnerte. Sein Geist, sein Keimling, hatte seine Hülle verlassen und war wieder in eins der beiden Konglomerate des Hyponeriarchats zurückgekehrt.
    Erst im Konversi ons-Zimmer seiner Suite im Palast Arghetti-Angs hatte er wieder das Bewusstsein erlangt. Länger als drei Minuten hatte es gedauert, sich an seine Existenz zu erinnern und zu erkennen, dass dieser Aufl ösungsprozess nur eine telepathische Warnung gewesen war.
    Diese Erkenntnis hatte ihn erleichtert, denn trotz seiner nichthumanen Existenz glaubte er an seine Individualität. Neue Notwendigkeiten hatten sich ihm eröffnet: Wenn er leben wollte – denn das war es, das Leben, dieses kostbare, aber überflüssige Gefühl, allein durch sich selbst zu existieren  –, musste er von nun an täuschen, tricksen und manipulieren. Zwar kannte er die Absichten der Meister-Creatoren nicht, aber er würde forthin in ihrem Sinne handeln, allein aus der Angst heraus, aufgelöst zu werden.
    Noch mit diesen Gedanken beschäftigt suchte er Pamynx auf, der seit anderthalb Jahrzehnten in seinem Verlies dahinvegetierte. Je näher er seinem Ziel kam, umso größer wurde seine Aufregung. In welchem Zustand würde sich der Gefangene befinden? Obwohl sein Körper weder mit einem Blutkreislauf ausgestattet war noch eines Stoffwechsels bedurfte, also weder atmen noch essen und trinken musste (es gab Keimlinge, die länger als tausend Universaljahre auf völlig unbewohnten Planeten überlebt hatten), mussten die langjährige Haft und die Stille auf einen Scaythen wie Pamynx, der immer im Lärm der Menschen gelebt hatte, einen schädlichen Einfluss ausgeübt haben.

    Der schmale Gang war teilweise eingestürzt, feucht und kaum passierbar. Endlich stand Harkot vor der Tür des unterirdischen Verlieses. Das Schloss ließ sich nur schwer öffnen, ebenso die Tür, die dann mit einem unerträglichen Quietschen aufschwang.
    Harkot betrat die in den Felsen gehauene Zelle. Im Strahl seiner Laserlampe sah er nur aufgehäufte Skelette und den Schatten davonhuschender Katzenratten.
    Kurzzeitig dachte er, das Hyponeriarchat habe Pamynx von seinem leiblichen Erscheinungsbild getrennt. Aber er wusste dank seiner Basiskoordinaten, dass in einem derartigen Fall der Keimling in einem der beiden Konglomerate aufgelöst und eventuell in einem der Matrix-Bottiche wieder aufwachsen und eine neue Identität und Aufgabe bekommen würde.
    »Ich habe Euch erwartet, Sieur Experte«, vernahm Harkot mental Pamynx’ Stimme.
    Etwas rührte sich vor ihm, eine braune Gestalt, die sich langsam auf ihn zubewegte. Dann richtete sich der Konnetabel zu voller Größe vor ihm auf. Er war nackt, was nicht weiter wichtig war, da Scaythen aufgrund ihrer Asexualität keine Scham kennen. Mit weit ausholenden Bewegungen wischte er die Erde von seinem

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