Terra Prima
erklären …
*
Er sah die INGA 12, wie sie ihre langen Finger in die Innereien der Schottelektronik ausfuhren, er sah die drei Organhirner am Spieltisch, und zugleich sah er plötzlich einen blauen Planeten im Weltall schweben. Kleiner und kleiner wurde der, und in einem Sichtfeld blinkten auf einmal drei Ortungsreflexe, und aus einem Akustikmodul tönte eine Stimme – kehrt um, Tres Heinrich, noch ist es nicht zu spät –, und dann verschwanden Planet, Ortungsreflexe, und die Stimme riß ab. Fast hätte Heinrich sich geschüttelt, so sehr überraschten ihn Visionen und Auditionen.
Eine verloren geglaubte Zentraldatei! Eine Zentraldatei nahm ihre Arbeit wieder auf; zum erstenmal seit zweiundvierzig Jahren.
Die beiden menschlichen Gefährten des blauen Roboters schliefen nicht. Yaku Tellim und Sibyrian Cludwich starrten in das Sichtfeld über der Schnittstelle. Ein wahrer Nebel aus Omegaraumern umgab die LAURIN inzwischen. Die Männer versuchten erst gar nicht, sie zu zählen. Heinrich erfaßte über siebenhunderttausend Schiffe, die zwischen dem Asteroidenring und der Marsbahn manövrierten. Die nächsten flogen nur wenige tausend Kilometer von ihnen entfernt. »Was für ein Aufwand für nur fünf Menschen und einen Roboter«, hörte der Kunstmensch Yaku Tellim irgendwann sagen.
»Das sollten Sie nicht überbewerten«, antwortete Sibyrian Cludwich. »Sicherheitskonzepte sensibler Objekte funktionieren in der gesamten Republik nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip. Wird ein Eindringling als sicherheitsrelevant eingestuft, springt sofort die gesamte Maschinerie an, selbst wenn es sich nur um einen Eisklumpen handelt.«
»Aha«, brummte Yaku und schloß wieder das Auge.
»Wir sollten unsere Bedeutung nicht zu hoch einschätzen«, sagte Heinrich. »Diese Schiffe hier umkreisen Erde und Sonne auch ohne konkreten Anlaß.« Unablässig analysierte der blaue Roboter die eingehenden Daten. Das lockende Signal kam näher! Das organische EMC-Muster ohne Herzreizleitungsimpulse hatte sich von 3-19-38-111 sek. nach 3-17-31-98 sek. bewegt. Und der Herzlose bewegte sich weiter.
Zugleich strömte eine wahre Flut von Bildern aus den verwüstet geglaubten Regionen seines Quantenkerns in seinen Quantenfokus: fremde Sternkonstellationen, das Gesicht und die Gestalt eines Unbekannten aus allen möglichen Perspektiven. Dann wieder Farblohen, Blitze und Glutkugeln einer Raumschlacht – und ständig dieses Feuer. Es gab Momente, in denen wußte Heinrich kaum noch zwischen Erinnerung und Wirklichkeit zu unterscheiden.
Im Sichtfeld erschien Mericans Konterfei. »Es ist vorbei«, hörte der Roboter seinen Herrn sagen. »Plutejo ist noch etwas schwach, doch spätestens morgen um die Zeit läuft er auf eigenen Beinen, als wäre nichts geschehen.« Seinen Herrn ? Seit wann akzeptierte er einen Herrn über sich?
»Na prächtig«, hörte er Yaku Tellim sagen. »Kommt ihr?«
»Ja, wir bringen den Jungen auf einer Controgravliege mit. Bis gleich.«
Bergens Züge verblaßten, Sterne funkelten wieder, die Ortungsreflexe blinkten rötlich. Das fremdartige und doch so vertraute Signal und das organische EMC-Muster bewegten sich inzwischen durch 2-14-23-58 sek. Der Herzlose war unterwegs zur Messe.
Schon baute sich das nächste Gesicht im VQ-Feld auf – die Kommandantin der LAURIN. Sie hielt sich in der Zentrale auf. Also war Roschen der Organhirner ohne Herz! Also ging das Signal von ihm aus!
»Ich würde Sie gern unter vier Augen sprechen, Heinrich«, sagte Anna-Luna Ferròn. »So nennen Sie sich doch? Würde es Ihnen etwas ausmachen, zu mir in meine Privatsuite zu kommen? Ich denke, diese geheime Unterredung liegt auch in Ihrem Interesse.«
Geh! raunte eine Stimme in ihm. Geh unter keinen Umständen , eine andere. Und dann wieder die erste Stimme: Eine Falle, Tres Heinrich , und gleich darauf die zweite: Die Antwort auf deine Lebensfragen, Tres Heinrich. Zwei Sekunden lang reagierte er gar nicht. Daß sie ihn siezte, überraschte ihn am meisten. »Einverstanden«, sagte er schließlich.
»Danke. Rombre und Ulama werden Sie zu meiner Suite geleiten. Bis gleich.« Ihr Gesicht löste sich auf. Die Würfel waren gefallen.
Es ist soweit, Tres Heinrich. Alles, was verlorenging, ist dazu bestimmt, wiedergefunden zu werden …
»Begleiten Sie mich.« Der blaue Kunstmensch wandte sich an Tellim und Cludwich. »Mir ist nicht wohl dabei, Sie alleinzulassen.« Er stelzte dem offenen Schott entgegen. Das Signal und das organische
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