Terroir
„überirdisches Wesen“, aber auch „Gemütsverfassung“. Im Indogermanischen wird es übersetzt als „außer sich sein“ oder „erregt sein“, im Altindischen meint es „zürnen“, im Avestischen „schauderhaft“, im Gotischen „erschrecken“ oder „erregt werden“ und im Alt-ostnordischen „völlig erschrocken“. Und wie beim Spirit gibt es auch beim Geist eine auditive Wurzel, aus der sich auch unser „gähnen“ ableitet. Im Indogermanischen bedeutet es „den Mund aufsperren, aufmachen“. Ob nun aus Angst vor den Geistern oder um sich zu artikulieren? Wir wissen es nicht.
Und in Asien? Toma-shii (japanisch) und jing-shen (chinesisch) heißt „Geist“ oder „Seele“ – im Sinne von dem, was nach alter Überzeugung im Menschen inkarniert ist und nach dem Tod wieder aus dem Körper schwebt. Der Begriff besteht in beiden Sprachen aus zwei Schriftzeichen. Da die Japaner einst die chinesischen Schriftzeichen übernommen haben, sind viele besonders der sehr alten Zeichen in beiden Sprachen gleich. So auch die beiden Zeichen für Geist.
Das Wort für alkoholische Getränke heißt auf Japanisch shu-sei und auf Chinesisch jiu-jing . Auch hier besteht der Begriff aus zwei Schriftzeichen, die wiederum in beiden Sprachen gleich sind. Dargestellt wird der Begriff durch das erste Zeichen des Begriffs für Geist und ein Zeichen, das bildlich die alkoholische Gärung wiedergibt: Drei Tropfen stehen für Flüssigkeit, ein Viereck für ein Gefäß, kleine senkrechte Striche, die daraus nach oben hervortreten, sind symbolisierte Gärgase, und der Strich oben drauf ist der Deckel. Ganz besonders interessant ist das Piktogramm für Wein durch die Abfolge der zwei Zeichen. Zuerst kommt das Bild für die Gärung, dann das Bild für den Geist.
So unsinnig der Umkehrschluss – ohne Alkohol hätte sich kein Bewusstsein entwickeln können – ist, so richtig scheint die These, dass die geistigen Getränke an der Entwicklung des menschlichen Geistes wesentlich beteiligt waren.
Sich in der Welt des Geistes respektive der vielen Geister, die in ihm und um ihn herumschwirrten, zurechtzufinden, war sicherlich ein schwieriges Unterfangen für den frühen Menschen. Die vielfältigen Naturerscheinungen und die unterschiedlichen eigenen Gemütszustände, derer sich die Menschen immer mehr bewusst wurden, ließen dabei in der Projektion erst einmal immer mehr Götter entstehen. Sie waren eine große Hilfe, die Welt zu sortieren. Die unterschiedlichen Phänomene beim Namen nennen, das gibt schon einmal ein wenig Sicherheit und einen Anfang von Kontrolle. In der rituellen Praxis konnte man durch den Genuss alkoholischer Getränke sehr leicht seine eigene, noch schwache Persönlichkeit verlassen und tiefer in die Welt der Götter eintreten. Nach ausreichender Dosierung verschwanden die Götter, und man war wieder so wie ganz früher, bevor man sein Leiterchen am Baum der Erkenntnis angestellt hatte, um neugierig in den ein oder anderen Apfel zu beißen – man war ohne eigenes Bewusstsein.
Mit fortschreitender Entwicklung gelang es, immer mehr göttliche Dimensionen zu profanieren. Gleichzeitig wurde die Götterwelt sortiert, in eine Hierarchie gebracht, und langsam entwickelten sich monotheistische Religionen, in denen auch heute noch der Archetyp Wein eine große Rolle spielt. Wenn auch dem gläubigen Moslem der weltliche Genuss verleitet wird, weil „Wein und Glücksspiel … ein Gräuel, ein Werk Satans“ sind, kann er sich zumindest auf das Paradies freuen, auf den „Ort der Seligkeit, mit Weinreben bepflanzt“, auf „Ströme von Wein, köstlich für die Trinkenden, Jungfrauen mit schwellenden Busen und voll gefüllte Becher“ ( Koran , Suren 5 , 74 und 78 ). Da ist das regelfreudige Judentum doch wesentlich weltlicher orientiert: „Und der Rabb’ sagte: Beim Gericht wird der Mensch Rechenschaft ablegen müssen über alle die Dinge, die er hätte genießen können und nicht genossen hat“ ( Talmud , Traktat Kidduschin).
Juden wie Christen zitieren gern die lebensfrohen Stellen des Alten Testaments, dass „der Wein … des Menschen Herz “ erfreue ( Psalm 104 , 15 ). Oder: „Der Herr der Heere wird auf diesem Berg für alle Völker ein Festmahl geben mit den feinsten Speisen, ein Gelage mit erlesenen Weinen, mit den besten und feinsten Speisen, mit besten, erlesenen Weinen“ ( Jesaja 25 , 6 ). Das setzt sich im Neuen Testament auf verschiedenen Symbolebenen fort: Jesus sagt zu seinen Jüngern: „Ich
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