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Terroir

Terroir

Titel: Terroir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Heymann-Loewenstein
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Verfügung. Das andere Extrem findet sich in Thailand. Hier wachsen Reben auf schwimmenden Flößen im Mekong. Und die Weine sind übrigens gar nicht so schlecht.
    Weltweit ist nur ein Winzer bekannt, der seine Trauben in wirklich freier Wildbahn erntet, der sympathische Eldon Nygaard. Er hates nach zähen Verhandlungen mit der Administration des Indianerreservats von South Dakota geschafft und darf die Trauben der lianenartig an Bäumen hochrankenden amerikanischen Wildrebe vitis riparia ernten. Das Ergebnis ist ein Wein mit einer unglaublichen Säure und einem völlig chaotischen Aromenspektrum – ein wahrhaft „wilder“ Wein.
    Der moderne Weinberg sieht anders aus. Mit seinen ordentlichen, geometrisch gezogenen Reihen mit Drahtspalieren, an denen die Reben hochranken, ist er Ausdruck unserer Industriekultur. Der Abstand zwischen den Reihen ist so bemessen, dass Traktoren dazwischen fahren können. Oft sind abartige Monokulturlandschaften entstanden wie im südaustralischen Coonawarra. Auch wenn sie nicht mit der befriedeten Anmut eines Montrachet oder der terrassierten Faszination eines Homburger Kallmuth gesegnet ist, kann diese geometrische Weinbergsarchitektur trotzdem sehr schön sein – ein Ausdruck von Weinkultur, ein Stück modern und ästhetisch gestalteter Natur.
    Weintrauben sind ein Geschenk der Natur, ein fantastisches Geschenk. Aber um sie in einen wohlschmeckenden Wein zu verwandeln, werden sie erst im Weinberg und dann im Keller domestiziert. Die Gretchenfrage lautet nicht, ob – wie in der Ökobewegung gern kolportiert –, sondern wie der Mensch in die Natur eingreift.

5
U ND WARD SO EINEM M ENSCHENWESEN GLEICH
    Gilgamesch-Epos
    Das Gilgamesch-Epos hat seinen Ursprung in Mesopotamien und wurde erstmals in der Zeit der dritten Dynastie von Ur um 2000 vor Christus in Keilschrift schriftlich festgehalten. Es gilt als das älteste bekannte Epos der Menschheit.
    Der wilden Tiere Milch pflegt’ er zu saugen,
Nun legten sie ihm Speise vor.
Er ward beklommen, machte große Augen
Und starrte hin: Nichts wusste Enkidu,
Was Brot war und wie man’s zu essen pflegt,
Auch Wein hatt’ er noch nicht gelernt zu trinken.
Da öffnete die Dirne ihren Mund
Und sprach zu Enkidu: ‚Iss nun das Brot,
O Enkidu, denn das gehört zum Leben,
Trink auch vom Weine, wie es des Landes Brauch!‘
Da aß Enkidu sich am Brote satt
Und trank vom Weine seine sieben Becher.
Leicht ward danach sein Herz, er fühlt’ sich glücklich,
Er wurde fröhlich, und sein Antlitz strahlte.
Mit Wasser rieb er den behaarten Leib,
Dann salbte seine Glieder er mit Öl
Und ward so einem Menschenwesen gleich.
    Menschwerdung durch Wein? Dass einem nach sieben Bechern (Wein, Fruchtwein, Bier – übersetzungstechnisch ist das nicht eindeutig) das Herz fröhlich wird, klar, aber hierdurch einem Menschenwesen gleich werden? Brot essen, einverstanden. Brot ist eine zivilisatorische Errungenschaft. Aber der Alkohol? Wo wir doch den Rausch eher unserer animalischen Seite zuordnen? Wein eine Bewusstsein spendende Droge? Hatte der heilige Augustinus recht, als er sagte, im Trockenen könne der Geist nicht wohnen?
    Wie an anderer Stelle schon beschrieben, können das Sesshaftwerden der Nomadengesellschaft, die Entstehung von patriarchalen Gesellschafts- und Bewusstseinsstrukturen sowie die Entdeckung von Wein historisch und logisch miteinander verknüpft werden. Wie genau, das wäre sicherlich ein spannendes Thema für eine Dissertation. Aber auch wenn heute noch vieles im Dunkeln liegt, ist es allein sprachlich offensichtlich, dass die Spirituose etwas mit spiritus und das geistige Getränk etwas mit Geist zu tun hat.
    Wie gut, dass es etymologische Wörterbücher gibt: Das lateinische spiritus lässt sich als „Hauch“ oder in seiner Verbform als „blasen, wehen“ übersetzen. Das passt, denn immer wieder wird ja im Altertum vom Wind als der Stimme der Götter geschrieben. Schafsdärme wurden als Saiten gespannt, um in der äolischen Harfe die Stimmen der Götter einzufangen, und in Dodoni, dem ältesten hellenischen Heiligtum, erlauschten die Priester die Stimmen der Götter im Rascheln der Blätter der Zeuseiche.
    Die ganze Ambivalenz des Begriffs ist im Wort Geist erhalten geblieben. Das Wort beschreibt auch heute noch den menschlichen Geist, das Bewusstsein, ebenso wie einen externen Geist, der entweder als ein heiliger oder als ein böser Geist auf den Menschen einwirkt. Verfolgt man das Wort zurück ins Westgermanische, bedeutet es

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