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Terroir

Terroir

Titel: Terroir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Heymann-Loewenstein
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Gesellschaftsordnung.
    Weitgehend Einigkeit besteht hinsichtlich der These, dass der qualitative Unterschied zwischen Mensch und Tier im Geist, im Bewusstsein seiner selbst besteht. Der Mensch hat es, das Tier nicht. Nun ist es – für den einen manchmal, für den anderen öfter – gar nicht so angenehm, sich seiner selbst und was an unangenehmen Dingen damit verbunden ist, bewusst zu sein. Und wer zu viel Bewusstsein hat, so lehrt es uns die Geschichte, hat nicht nur Stress mitseiner Gruppe, sondern lebt je nach dem auch ganz schön gefährlich. Immer wieder wurden und werden die etwas weiter denkenden Menschen großen, manchmal tödlichen Repressalien ausgesetzt. Viele gehen in die innere Emigration und vereinsamen. Kein Wunder, dass die Menschheit seit Anbeginn auch vom Zurück träumt, vom Zurück in den bewusstseinslosen Zustand, in das Paradies, in den warmen Uterus. Die mythologische Kreisschlange, die sich selbst in den Schwanz beißt, der uroborische Inzest, die Sehnsucht, mit der Mutter Natur zu verschmelzen. Niedermystik, sagt die Religionslehre.
    Auch dies leistet der Alkohol: In den westlichen Gesellschaften ist er nach wie vor das beliebteste U-Boot, um in einem Mein-Ich-ist-dann-mal-weg-Rausch abzutauchen.
    Vom Zurück träumte auch Rudolf Steiner, der Begründer der Anthroposophie. Er hatte erkannt, dass es „die Aufgabe“ des Alkohols war, „sozusagen den menschlichen Leib so zu präparieren … damit das persönliche ‚Ich-bin≈ herauskommen konnte“. Wie Steiner mit dieser Erkenntnis umgeht, ist so ungeheuerlich, dass das mit einem ausführlichen Zitat aus seinem Vortrag Das Johannes-Evangelium aus dem Jahr 1908 belegt werden soll:
    Wir können die Prozesse verfolgen, durch welche der physische Leib vorbereitet wurde, ein Träger des selbstbewussten, des ‚Ich-bin‘-begabten Menschen zu werden. Sogar in der Bibel wird uns das angedeutet: dass derjenige, der Stammvater wird in einer gewissen Beziehung in der nachatlantischen Zeit, dass Noah der erste Weintrinker ist, als erster die Wirkung des Alkohols erlebt. Da kommen wir auf ein Kapitel, das wirklich für manchen schockierend sein kann. Was in der nachatlantischen Zeit als ein besonderer Kultus hervortritt, ist der Dionysos d ienst. Sie wissen alle, wie der Dionysoskult in Zusammenhang gebracht wird mit dem Wein. Dieser merkwürdige Stoff wird der Menschheit allerdings erst in der nachatlantischen Zeit zugeführt, und dieser Stoff wirkt auf die Menschheit. Sie wissen, jeder Stoff wirkt irgendwie auf die Menschen, und der Alkohol hat eine ganz bestimmte Wirkung auf den menschlichen Organismus. Er hatte nämlich eine Mission im Laufe der Menschheitsentwickelung; er hatte – so sonderbar das erscheint – die Aufgabe, sozusagen den menschlichen Leib so zu präparieren, dass dieser abgeschnitten wurde von dem Zusammenhang mit dem Göttlichen, damit das persönliche ‚Ich-bin‘ herauskommen konnte. Der Alkohol hat nämlich die Wirkung, dass er den Menschen abschneidet von dem Zusammenhang mit der geistigen Welt, in der der Mensch früher war. Diese Wirkung hat der Alkohol auch noch heute. Der Alkohol ist nicht umsonst in der Menschheit gewesen. Man wird in einer zukünftigen Menschheit im vollsten Sinne des Wortes sagen können, dass der Alkohol die Aufgabe hatte, den Menschen so weit in die Materie herunterzuziehen, damit der Mensch egoistisch wurde und dass der Alkohol ihn dahin brachte, das Ich für sich zu beanspruchen und es nicht mehr in den Dienst des ganzen Volkes zu stellen. Also den entgegengesetzten Dienst, den die Gruppenseele der Menschheit geleistet hat, hat der Alkohol geleistet. Er hat den Menschen die Fähigkeit genommen, in höheren Welten sich mit einem Ganzen eins zu fühlen. Daher der Dionysoskult, der das Zusammenleben in einer Art äußeren Rausches pflegt. Ein Aufgehen in einem Ganzen, ohne zu schauen dieses Ganze. Die Entwickelung in der nachatlantischen Zeit ist deshalb mit dem Dionysoskult verbunden worden, weil dieser Kult ein Symbolum war für die Funktion und Mission des Alkohols. Jetzt, w o die Menschheit wiederum strebt, den Weg zurückzufinden, wo das Ich so weit entwickelt ist, dass der Mensch wieder den Anschluss finden kann an die göttlich-geistigen Mächte, jetzt ist die Zeit gekommen, wo, anfangs sogar aus dem Unbewussten heraus, eine gewisse Reaktion gegen den Alkohol eintritt. Diese Reaktion tritt aus dem Grunde ein, weil viele Menschen heute schon fühlen, dass so etwas, was einmal eine besondere

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