Terroir
in England und den USA durch Chardonnay, eine kalifornische Erfindung der 80 er-Jahre, ersetzt. Den dünnen und sauren Rotweinen aus Südfrankreich erging es nicht besser. Immer mehr davon landete in der Destillation, während saftige, fleischige Merlot-Verschnitte aus Übersee die Weltmärkte eroberten.
Was sich mit der Kreation der Marke Chardonnay in den 80 er-Jahren abzeichnete, setzt sich auf allen Ebenen fort. Globalisierte Produkte brauchen globalisierte Namen und beliebige Verfügbarkeit.Wenn der brand auf dem Namen der Rebsorte aufgebaut wird, ist dies natürlich am einfachsten. Chardonnay, um beim Beispiel zu bleiben, gibt es im Spektrum von preiswert leicht und knackig bis zu teuer gehaltvoll-buttrig mit viel Holz. Wo, das heißt in welchem Land oder in welcher Region er jetzt gerade gewachsen ist, schmeckt heutzutage niemand mehr. Und das ist ja auch so gewollt, denn als Global Player will man schließlich dort produzieren oder einkaufen, wo es gerade am billigsten ist.
Das Gleiche gilt mittlerweile für Merlot, für Sauvignon Blanc und immer mehr auch für Cabernet Sauvignon und, so wie es aussieht, in nächster Zukunft auch für Riesling. Mit dem Ziel, diese Rebsorte „weltweit zu fördern“, wurde Ende 2007 im US-Bundesstaat Washington von den größten amerikanischen Produzenten die International Riesling Foundation gegründet. Wie genau der World-Riesling der Zukunft aussehen respektive schmecken soll – lassen wir uns überraschen. Noch steckt das ja alles in den Kinderschuhen und der Umsatz des größten Riesling-Produzenten der Welt, Chateau Ste Michelle, ebenfalls im Staat Washington ansässig und Gründungsmitglied der Riesling-Foundation, liegt ja auch erst bei circa elf Millionen Flaschen pro Jahr, das heißt gerade mal so viel Riesling wie im deutschen Anbaugebiet Nahe. Wohin der Zug gehen könnte, zeigt Fetzer Vineyards aus Kalifornien mit dem proprietary brand namens Valley Oaks. Unter diesem Label gibt es auch einen Riesling, der als „trockener“ Einsteigerwein mit 22 Gramm Restzucker in den gesamten USA distribuiert wird. (Das Wort trocken steht hier in Gänsefüßchen, da ein trockener Wein in Europa nicht mehr als 9 Gramm Zucker haben darf.) Das Interessante beim Valley Oaks: In der Hälfte der Bundesstaaten steht auf dem geschmackvoll gestalteten Label ganz unten in kleiner Schrift „Produced in Washington State“, in den anderen Staaten steht dort „Produced in Germany“.
Wenn auch ganz klein, aber es ist zumindest noch irgendwo auf dem Etikett vermerkt. Da sind die Europäer schon einen Schritt weiter. Nach den Beschlüssen des EU-Ministerrats vom April 2008 dürfen in Zukunft Rebsorte und Jahrgang auf dem Etikett stehen, ohne dass die geografische Herkunft des Weins genannt wird. Damit folgt die EU ihrer alten Tradition, jahrelang geduldete Panschereien im Nachhinein zu legalisieren. „Oder glaubt jemand wirklich, in den seit Jahren im Handel feilgebotenen Proseccos, die derzeit für unter zwei Euro in den Regalen stehen, sei Prosecco drin?“, fragt Dr. Hermann Pilz, Chefredakteur der Fachzeitschrift Weinwirtschaft : „Coca-Cola-Wein aus großindustriellen Schläuchen. So will es die EU-Kommission. Bei Wurst besteht die Kunst darin, Wasser schnittfest zu machen; bei Käse, aus Eiweißabfällen eine bissfeste Masse zu erzeugen; bei Öl, ranziges Pflanzenöl in Oliven zu verwandeln, und bei Getreide, nährwertarmen Kleister in Form von Toastbrot unters Volk zu jubeln. Bravo, jetzt ist der Wein dran.“
Altmodische Marken, die sich über klar abgegrenzte Regionen definieren, haben es da wesentlich schwerer. Weniger, wenn sich der Kundengeschmack änderte. Dagegen lässt sich was tun. Nachdem sich beispielsweise der billige Baströckchen-Chianti nicht mehr verkaufen ließ, wurde das von Baron Bettino Ricasoli im 19 . Jahrhundert entwickelte Rezept der Rebsortenmischung geändert, und ein leichtes, süffiges Weinchen wurde durch Reduktion des Weißweinanteils und durch moderne Vinifikation in einen „seriösen“ Rotwein verwandelt. Abgefüllt in schicke Bordeaux-Flaschen und ausgestattet mit einem coolen Etikett war er dann genau das Richtige für die deutsche Zielgruppe, und, wenn ein wenig mehr Holzgeschmack drin war, auch für das Amiland. Nein, an der Geschmacksschraube zu drehen, das ist heutzutage kein Problem mehr. Schwierig wird es dann, wenn bei wachsender Nachfrage der Wein knapp wird undeine Ausweitung der Rebflächen beim besten Willen nicht mehr
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