Terroir
können. Und letztendlich dem Wein auch noch einige Geheimnisse zu belassen.
Hinter der immer wieder gestellten Frage, wie sich Terroir denn nun zusammensetzt, aus wie viel Prozent Boden, Klima, Rebe und Mensch, verbirgt sich das alte Problem, unterschiedliche Wirklichkeitsebenen in einer Formel zusammenbringen zu wollen. Rumi, der persische Poet und Sufi, antwortete auf die Frage „Woher bist du?“:
Zur Hälfte aus Turkistan,
zur Hälfte aus Farkhana,
zur Hälfte aus Wasser und Lehm,
zur Hälfte aus Herz und Seele.
Die Frage, aus wie viel Geist und wie viel Materie der Mensch besteht, ist ähnlich unsinnig wie die Frage, zu welchem Prozentsatz sich ein Elektron in Masse und Energie aufteilt oder das Terroir in Boden, Klima, Rebe und Mensch. Wenn man hier schon die Kindergartenarithmetik bemüht, dann hieße die Antwort auf jede Frage: von allem hundert Prozent. Denn ohne Geist könnten wir keine Materie beschreiben, und ohne Materie wüsste der Geist nicht wohin. Und ohne Weinberg gäbe es keinen Winzer und ohne Winzer keinen Weinberg. Was soll dabei herauskommen, wenn zwei Quadrate, die nur zweidimensional denken können, darüber diskutieren, zu wie viel Prozent sie an einem dreidimensionalen Körper beteiligt sind?
In früheren Zeiten, in denen Wissenschaft und Mystik noch keine so deutlich getrennten Disziplinen waren, haben sich die führenden Köpfe intensiv mit den Interdependenzen zwischen Geist und Materie beschäftigt. Erst gegen Ende der Renaissance wurde die Mystik in die vermeintlich dunkle Ecke des Mittelalters abgeschoben. Seit dieser Zeit ist die westliche Kultur vom Wissenschaftsbegriff der Aufklärung geprägt, von Logik und Reproduzierbarkeit. Aus heutiger Perspektive ist es spannend zu verfolgen, wie sich spätestens mit Einführung der Quantenmechanik genau diese Weltanschauung wieder ad absurdum führt.
Der Physiker und Nobelpreisträger Wolfgang Pauli sagte einmal: „Die Naturwissenschaften gingen im 17 . Jahrhundert ein bisschen zu weit.“ Zu viele Naturgesetze wie etwa die Newton’schen Axiome wurden in dieser Zeit als absolute Wahrheiten formuliert. Ob Pauli wusste, dass Isaak Newtons private Bibliothek zu einem Drittel aus Alchimie, jüdischer Mythologie und Werken der Rosenkreuzer bestand, dass seine Definitionen von Raum und Zeit auf seinem Gottesbegriff basierten? Newton-Forscher gehen davon aus, dass er sich über Jahrzehnte damit beschäftigte, die geistige Welt mit der Naturwissenschaft in Einklang zu bringen. Wie Wolfgang Pauli. Durch die Liebschaft zu Marie-Louise von Franz, einer Schülerin des Züricher Psychotherapeuten Carl Gustav Jung, bekam der Naturwissenschaftler Zutritt in eine ganz andere Geisteswelt und beschäftigte sich nicht nur in einer Therapie bei Jung und in vielen Gesprächen, sondern auch in seinen Träumen mit der Welt der Archetypen, den numinosen Strukturelementen des kollektiven und individuellen Unterbewusstseins. Bis zu seinem Tod 1958 arbeitete er an der Vorstellung, dass die Archetypen nicht nur die inneren Bilder, sondern auch die Materie strukturieren könnten. In Traumbegegnungen mit Einstein erschien ihm die Quantenmechanik als Schnittpunkt von Materie und Geist.
Durch viele Briefe sind seine Träume vom Ring i überliefert. Dies ist ein gedachter Kreis mit dem Abstand eins vom Nullpunkt eines Koordinatensystems. Bei der Vorstellung, auf diesem Kreis zu wandern, bleibt der Abstand zum Nullpunkt, also der Wert eins, konstant. Begreift man diesen Wert als die Menge an verfügbaren Informationen, so ist der Ring i eine gute Metapher zum Verständnis des Zusammentreffens unterschiedlicher Welten. Bei plus eins auf der senkrechten Achse ist der Informationswert aus der Welt der waagerechten Achse gleich null. Und umgekehrt. Und bei allen Zuständen dazwischen lassen sich Aussagen über beide Welten machen, nur halt mit jeweils weniger Informationen, das heißt nicht mehr ganz so genau.
Ursprünglich stammt der Ring i aus der Mathematik und ermöglicht Aussagen über die Beziehung von reellen und imaginären Zahlen. Den Physikern erlaubt er unter anderem eine Darstellung der Welle-Korpuskel-Beziehung des Elektrons. Und warum, so diskutierte Pauli über viele Jahre mit C. G. Jung, sollten sich mit dem Ring i nicht auch die Beziehungen zwischen besonderen Zufällen wie Synchronizitäten und stringenten Notwendigkeiten abbilden lassen? Warum nicht das Zusammenspiel von Geist und Materie?
Und Wein? In einer exakten Bodenbeschreibung oder
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