Terror auf Stiles Island
Aber sie wusste es besser. Jimmy schaffte es irgendwie, sich in diesen Zustand zu versetzen, ohne tatsächlich den Beweis liefern zu müssen. In gewisser Weise war es wie Onanie. Und sie erkannte zum ersten Mal, dass auch Crow sich dieser Tatsache bewusst war. Dass Jimmy mehr George Custer war als General Ulysses S. Grant. Es waren seine Unberechenbarkeit und seine Waghalsigkeit, die ihn bisher immer über Wasser gehalten hatten.
Der Teller mit den Sandwiches war leer und Faye nahm ihn mit in die Küche. Crow folgte ihr, um sich aus dem Kühlschrank ein paar Eiswürfel zu holen. Er lehnte gegen die Küchenanrichte und nahm einen Schluck von seinem Drink.
»Könnt ihr die Nummer wirklich über die Bühne bringen?«, fragte Faye.
Crow zuckte mit den Schultern. »Jimmy glaubt es zumindest«, sagte er.
»Jimmy leidet unter krankhafter Begeisterungsfähigkeit«, sagte sie.
Crow lächelte.
»Vielleicht ist der Coup ja nicht so narrensicher, wie er glaubt«, sagte Faye.
»Mag sein.«
»Hast du keine Angst, dass es ins Auge geht?«
»Ich hab keine Angst«, sagte Crow.
»Aber du hältst es für möglich, dass es danebengeht?«
»Nicht auszuschließen.«
»Warum machst du dann überhaupt mit?«
»Warum nicht?«, sagte Crow.
Faye schaute ihn eine Weile an und begriff, dass es Welten waren, die zwischen ihnen lagen. Sie konnte ihn nur um einen Gefallen bitten.
»Sollte es schiefgehen: Kannst du auf ihn aufpassen, so gut es geht?«
Crow lächelte sie an.
»Klar doch«, sagte er.
Faye füllte den Teller mit neuen Sandwiches, während Crow langsam die Eiswürfel in seinem Glas schwenkte.
»Mit einem anderen Mann wärst du besser bedient, Faye.«
»Ich liebe ihn aber«, sagte sie.
»Sieht ganz so aus«, sagte Crow.
Sie blieben eine Weile stehen. Ihr gemeinsames Wissen schien sie zu lähmen.
»Aber du bleibst bis ans bittere Ende an Bord?«, sagte Faye.
»Ja.«
»Und warum?«
»Es geht um viel Geld«, sagte Crow.
»Nur deshalb?«
»Und weil ich ihm mein Wort gegeben habe.«
»Und wenn’s ins Auge geht?«
Crow zuckte die Achseln und lächelte sie an.
»Könnte ein guter Tag zum Sterben sein«, sagte er und nahm sich ein Sandwich vom Teller.
Dieses eBook wurde von der Plattform libreka! für Till Leffler mit der Transaktion-ID 2949865 erstellt.
39
Die Eigentumswohnungen in diesem Teil des Navy Yards standen auf einem erhöhten Fundament, unter dem sich die Parkplätze für die Apartments befanden. Jesse parkte neben dem grünen Mercedes von Harry Smith, auch wenn ein Schild mit der Apartmentnummer und dem dazugehörigen Namen keinen Zweifel daran ließ, dass der Parkplatz eigentlich reserviert war. Auf dem Parkplatz von Smith stand der Name Prentice, darunter die Apartmentnummer 134. Jesse war mit seinem privaten Wagen gekommen und trug Jeans sowieeine Baseballkappe. Von seinem Sitz aus konnte er den Eingang zu Apartment 134 bestens beobachten. Er wusste selbst nicht, warum er überhaupt hier war. Irgendetwas war faul an diesem Harry Smith. Er behauptete, aus Concord zu kommen, aber der Wagen war in Charlestown zugelassen. Sicher, viele Leute zogen um, ohne deshalb gleich ihre Zulassung zu ändern. Und die Tatsache, dass er seinen Wagen auf einem reservierten Parkplatz abgestellt hatte, war auch nicht gerade ein Verbrechen. Vielleicht hatte seine Frau ja ihren Mädchennamen behalten. Vielleicht gehörte das Apartment seiner Frau und er war nach der Hochzeit hier eingezogen. Möglicherweise hatten sie ja erst vor Kurzem geheiratet. Wie auch immer: Es war jedenfalls sinnvoller, ein Auge auf Harry Smith zu werfen, als im Büro zu hocken und auf Anrufe von Abby zu warten.
Abby hatte sich im Bett als wahrer Vulkan erwiesen – so als könne sie mit ihrer schieren Leidenschaft Jesse dazu bewegen, sie trotzdem zu lieben. Er hätte besser nicht mit ihr schlafen sollen. Er wusste das ganz genau. Es war einfach das falsche Signal. Es wäre intelligenter gewesen, sie nach Hause zu fahren. Intelligenter vielleicht, aber nicht gerade menschlich. Jesse mochte Sex und er hatte mit der Tatsache zu leben gelernt, dass ihn sein Trieb manchmal zu Entscheidungen verleitete, die sich im Nachhinein nicht gerade als intelligent erwiesen. Auf seinem Sterbebett, da war er sich sicher, würde er jedenfalls keine der Frauen missen wollen, mit denen er einmal geschlafen hatte. Abby hatte am Morgen geheult. Sie schämte sich, betrunken gewesen zu sein, sie schämte sich, ihren Gefühlen freien Lauf gelassen zuhaben. Jesse hatte
Weitere Kostenlose Bücher