Terror der Tongs
sich über seinem Kopf zusammen, von dem er bisher noch nichts wußte. Er mußte es herausfinden.
Er selbst konnte das Haus nicht verlassen und nachforschen. Zum Glück gab es eine andere Möglichkeit.
Dr. Rasana hatte vorgesorgt. Aus Indien war er zwar nach London gekommen, aber nicht ohne Schutz. Er hatte etwas mitgebracht, dem er sein Leben weihte.
Kali!
Es gab sie oft. In vielen Tempeln und an düsteren Stätten stand ihr Abbild. Oft als Steinfigur, aber einige Male auch aus Gold gefertigt und sehr wertvoll.
Nicht überall wurde sie Kali genannt. Es gab einige Menschen in dem großen Land, die sprachen sie mit ihrem eigentlichen Namen an. Er lautete Parwati, und als diese war sie vor langer Zeit die Gemahlin des Gottes Schiwa gewesen.
Auch in der heutigen Zeit noch wurde sie unter diesem Namen angebetet, und sie konnte auch in verschiedenen Gestalten auftreten. Das war das Teuflische an ihr. Dargestellt wurde sie stets als Figur mit vier Armen, so hatte sie sich immer den Menschen gezeigt, das war ihre eigentliche Urgestalt, und auch heute noch war sie unbesiegbar, da sie unter dem Schutz des Gottes Schiwa stand.
Natürlich hatte sie auch Feinde. Da war der Gott Wischnu, der gegen sie und ihren Gemahl kämpfte. Auch Garuda, der Adler, zählte nicht zu ihren Freunden, aber sie hatte es trotz allem geschafft, ihre Macht bis zum heutigen Tag zu festigen.
Ob in Indien oder in der Fremde, gefährlich waren sie und ihre Diener immer.
Ohne den Schutz der Todesgöttin wäre Rasana nicht so weit gereist. Er hatte sie mitgenommen, hier in das Haus schaffen lassen, und am Zoll war alles reibungslos abgelaufen.
Wer interessierte sich schon für eine Statue, die eine Einfuhrerlaubnis bekommen hatte.
Der Raum, in dem sich Rasana aufhielt, war sehr groß. Aus diesem Grunde besaß er auch mehrere Türen. Eine von ihnen führte zum normalen Ausgang, die zweite dorthin, wo sich der Arzt am wohlsten fühlte. Um seine Sicherheit war er nicht besorgt, deshalb hatte er die Tür zu Kalis Wohnstätte auch nicht abgeschlossen. Vorsichtig öffnete er sie, als hätte er Angst, die Ruhe der Todesgöttin zu stören. Es war ebenfalls ein großer und völlig normaler Raum, den er betrat. An diesem Zimmer war nichts Besonders festzustellen, und trotzdem besaß es das Flair einer Totengruft. Etwas lag in der Luft und wehte gegen ihn. Der Geruch von Moder…
Er kam nicht aus der Tiefe, hier waren keine Leichen begraben, allein die Statue strömte ihn aus. Sie stand inmitten des Raumes, war aus dunklem, leicht glänzenden und an Marmor erinnernden Stein geschaffen worden und wirkte wie eine Königin aus der Finsternis. Sie besaß vier Arme. Die ersten beiden saßen normal an den Schultern, die anderen ein Stück darunter.
Das Gesicht zeigte einen bösen, gemeinen Ausdruck. Die Augen standen leicht schräg, die Nase war geschwollen, und in den Pupillen leuchteten schwach die kleinen Totenköpfe.
Das war ihr Leben.
In der Tat lebte die Steinfigur. Ein unheiliger, finsterer Geist erfüllte sie. Für den normalen Betrachter war nichts davon zu sehen, aber Rasana, einer ihrer größten Diener, wußte mehr — viel mehr. Er ließ die Tür hinter sich spaltbreit offen, als er sich mit vorsichtigen und demutsvoll wirkenden Schritten seiner eigentlichen Herrin näherte. Von der Decke herab hingen zwei Lampen. Es waren normale Kugeln aus Milchglas, die mit ihrem Schein die Statue der Todesgöttin erfaßten, aber nicht direkt erhellten, denn es sah so aus, als würde Licht vom Gestein in Höhe der Brust aufgesaugt.
Nur ein matter Glanz blieb zurück, der auch die Grausamkeit des Gesichts deutlich hervorhob.
Die Statue war größer als Rasana. Sie hätte auch nur Kniehöhe erreichen können, er wäre sich immer klein vorgekommen. Er blieb stehen und verbeugte sich vor seiner Herrin so tief, als wollte er mit seinen Lippen den Boden berühren.
Danach richtete er sich wieder auf. Er hielt den Kopf leicht erhoben, der Blick seiner Augen hatte einen leicht bittenden Glanz abbekommen, und der ihn umwehende Todesgeruch war für ihn wie ein duftendes Parfüm. Er bedeutete Leben, er sagte ihm, daß alle Bedingungen erfüllt worden waren, und doch kam er sich wie ein Versager vor, denn er hatte den Kopf schreien gehört.
Das erinnerte ihn wieder an die Kette.
Auch diese Figur der Todesgöttin besaß eine Kette. Sie lag eng um ihren Hals, und die einzelnen Glieder bestanden aus Köpfen. Zwar waren sie aus Stein, aber sie wirkten so echt, als wären
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