Terror von Rechts
Wohlleben Anfang Februar 1999 nach Mecklenburg, um den damaligen NPD-Landeschef zu treffen. Wahrscheinlich war geplant, dem bekannten Szene-Rechtsanwalt die Vertretung von Beate Zschäpe anzutragen. Warum daraus nichts wurde, ist bis heute unklar, möglicherweise wollte Zschäpe aus der Illegalität zurückkehren. Nach Angaben von Böhnhardts Eltern in einem ARD-Interview sei dies bei einem Treffen im Jahr 2000 durchaus ein Thema gewesen, Mundlos habe sich aber dagegen ausgesprochen. 37
Eisenecker meldete sich nach Recherchen des
Focus
Anfang März 1999 bei der Staatsanwaltschaft Gera. Er teilte mit, er vertrete Zschäpe juristisch und legte eine von der Mandantin unterschriebene Vollmacht bei. Zugleich beantragte er Akteneinsicht. Die Staatsanwaltschaft lehnte das Gesuch den Angaben zufolge ab, die Akten seien »erst nach Abschluss des Verfahrens« einzusehen. »Danach hat sich der Anwalt nicht mehr gemeldet«, so Oberstaatsanwalt Hans-Otto Niedhammer von der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft gegenüber dem
Focus
. 38
Beate Zschäpe wurde wie ihre Komplizen Böhnhardt und Mundlos zu diesem Zeitpunkt per Haftbefehl gesucht. Bis Ende der neunziger Jahre war auch Manfred Roeder für die NPD in Mecklenburg-Vorpommern aktiv. Der ehemalige hessische Rechtsanwalt war 1982 vom Oberlandesgericht Stuttgart wegen Sprengstoffanschlägen, versuchter Anstiftung zum Mord und Rädelsführerschaft in der rechtsterroristischen Vereinigung Deutsche Aktionsgruppen zu einer 13-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. 1990 wurde er vorzeitig auf Bewährung entlassen. Im Jahr 1998 trat Roeder in Stralsund für die NPD zur Bundestagswahl an. Seine Kandidatur sorgte für Aufsehen, da er nach Recherchen des ARD-Magazins »Panorama« bei einer Wahlkampfveranstaltung gesagt hatte: »Wahlen genügen nicht, wir brauchen den Umsturz.« Auf Nachfrage soll er bekräftigt haben, Politiker hätten »den Tod verdient«. Ein verurteilter Rechtsterrorist, ein Anwalt, der Zschäpe vertreten hatte, ein Gruß in einem Fanzine, Banküberfälle und ein Mord – die Spuren des NSU nach Mecklenburg-Vorpommern sind vielfältig, und die NPD spielt offenkundig immer wieder eine Rolle.
Viele Fragen sind noch offen, fest steht aber: Keine von der Polizei gesuchte Kleingruppe fährt mit falschen Papieren von Sachsen aus mit einem Wohnmobil, unter falschem Namen gemietet, nach Hamburg, Nürnberg, Dortmund, Rostock oder Stralsund, steigt irgendwo, ebenfalls unter falschen Namen, auf einem Campingplatz ab – vor allem nicht in den kalten Jahreszeiten, wie in Rostock und Stralsund – und erschießt wahllos einen Migranten oder überfällt irgendeine Bank, und das sogar zweimal innerhalb weniger Monate. Der Nationalsozialistische Untergrund hatte im Februar 2004 eines seiner zehn Opfer in Rostock ermordet – rund zwei Jahre nach dem Gruß im
Weissen Wolf
. Waren genau diese zwei Jahre die Zeit, die für die Planung des Verbrechens benötigt wurde?
Mecklenburg-Vorpommern ist kein Einzelfall, die Spuren in andere Länder sind ebenfalls vielfältig und nahezu flächendeckend – von Jena, Chemnitz und Zwickau ausgehend ins Erzgebirge, nach Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein. Die Neonazi-Szene hat in den vergangenen 20 Jahren ihre Strukturen systematisch ausgebaut. Aufmärsche, Konzerte, Veranstaltungszentren, überall knüpften Kader neue Knoten in das Netzwerk, das dadurch nach und nach engmaschiger wurde. Experten hatten immer wieder darauf hingewiesen, welche immense Bedeutung Aufmärsche und Konzerte für die Binnenstruktur der Bewegung haben. In Nordrhein-Westfalen müssen die Terroristen mindestens einen Komplizen gehabt haben, hier verübten sie in Köln (Nagelbombenanschlag) und Dortmund ihre Taten, zudem fanden die Ermittler in der zerstörten Wohnung in Zwickau diverse Zeitungsberichte aus NRW – aus Zeitungen, die in Sachsen kaum erhältlich sind.
Auch in Hamburg mordete der NSU, hierhin knüpfte der Thüringer Heimatschutz (THS), zu dem die drei späteren Rechtsterroristen gehörten, offenkundig frühzeitig Kontakte. So berichtete Felix Krebs vom Hamburger Bündnis gegen Rechts, ein Artikel aus der nicht mehr erscheinenden Hamburger Neonazi-Zeitschrift
Zentralorgan
(ZORG) belege, dass Neonazis aus der Hansestadt Ende der neunziger Jahre Verbindungen zum THS unterhielten. Der Artikel mit der Überschrift »… ab sofort wird Bombe
Weitere Kostenlose Bücher