Terror
kreisen. »Wenn ich jemanden heiraten würde, dann unseren Kapitän Ross. Aber ich kann auch nicht die Frau eines Mannes werden, der nur Kapitän ist, Francis. Er müsste erst zum Ritter geschlagen werden … was allerdings sicher bald geschehen wird.«
Crozier blickte ihr forschend in die Augen, um zu erkennen, ob sie sich über ihn lustig machte. »Kapitän Ross ist verlobt.« Seine Stimme klang wie das Krächzen eines Gestrandeten, der seit vielen Tagen Durst leidet. »Die Hochzeit soll unmittelbar nach seiner Rückkehr nach England stattfinden.«
»Tatsächlich.« Sophia stand auf und drehte den Sonnenschirm schneller. »Auch ich werde diesen Sommer mit dem schnellen Paketboot nach England fahren, noch bevor Onkel John abberufen wird. So rasch wird mich Kapitän James Clark Ross nicht los.«
Sie blickte auf Crozier hinab, der immer noch in seiner lächerlichen Position verharrte. »Außerdem«, warf sie munter hin, »selbst wenn Kapitän Ross diesen Backfisch heiratet, der auf ihn wartet – er und ich haben viel über sie gesprochen, und ich kann Ihnen versichern, dass sie eine dumme Gans ist –, eine Hochzeit muss nicht das Ende sein. Eine Hochzeit ist nicht der Tod. Sie ist nicht wie Hamlets ›unbekanntes Land‹, aus dem es keine Wiederkehr gibt. So mancher Mann ist schon aus einer Ehe zurückgekehrt zu der Frau, die von Anfang an die Richtige für ihn war. Denken Sie an meine Worte, Francis!«
Endlich erhob er sich und streifte sich den Kies von der Hose seiner Galauniform.
»Ich muss jetzt gehen«, erklärte Sophia. »Tante Jane, Kapitän Ross und ich fahren heute nach Hobart Town, um uns neue Zuchthengste anzuschauen, die die Van Diemen Company eingeführt hat. Wenn Sie möchten, können Sie gerne mitkommen, Francis, aber falls Sie sich dazu entschließen, wechseln Sie um Himmels willen Ihre Kleidung und Ihren Gesichtsausdruck.«
Nach einer leichten Berührung seines Unterarms schlenderte sie mit wirbelndem Sonnenschirm davon zum Government House.
Crozier hörte das gedämpfte Läuten der Glocke, die acht Glasen schlug. Vier Uhr früh. Auf hoher See wären die Männer in einer halben Stunde aus ihren Hängematten gezerrt worden, damit sie das Deck scheuerten und alles blitzblank putzten. Aber hier in der Dunkelheit und im Eis – und im Wind, dessen Heulen in den Wanten Crozier noch immer vernahm, was bedeutete, dass an diesem 10. November ihres dritten Winters im Eis schon wieder ein Schneesturm drohte – durften die Männer bis vier Glasen der Morgenwache ausschlafen. Erst dann erwachte das kalte Schiff von den Rufen der Bootsmannsmaaten und den Tritten der Männer, die schnell aus ihren Decken sprangen, bevor die Bootsmannsmaaten die Drohung wahrmachten, die
Hängematten samt den darin liegenden Seeleuten abzuschneiden.
Im Vergleich zu den Pflichten auf See hatten die Matrosen hier ein Paradies an Faulheit. Die Männer durften nicht nur länger schlafen, sondern auch um acht Glasen im Unterdeck ihr Frühstück zu sich nehmen, bevor sie sich an ihre morgendlichen Aufgaben machen mussten.
Croziers Blick fiel auf die Whiskeyflasche und das Glas. Beide waren leer. Er hob den Revolver, der, voll geladen mit Pulver und Kugeln, ungewöhnlich schwer in seiner Hand lag.
Dann versenkte er die Waffe in der Tasche seiner Kapitänsjacke, die er auszog und an einen Haken hängte. Er wischte das Whiskeyglas mit dem sauberen Tuch aus, das ihm Jopson jeden Abend zu diesem Zweck hinlegte, und ließ es in seiner Schublade verschwinden. Schließlich legte er die leere Flasche vorsichtig in den abgedeckten Weidenkorb, den Jopson immer neben die Schiebetür stellte. Wenn Crozier von seinen Tagespflichten zurückkehrte, wartete in dem Korb bereits eine volle Flasche auf ihn.
Kurz spielte er mit dem Gedanken, sich dicker anzuziehen und an Deck zu gehen. Das hätte bedeutet, dass er seine Pelzschuhe gegen echte Stiefel vertauschte, dass er sich Schal, Mütze und die schweren Plünnen überstreifte, dass er hinaus in die Nacht und den Sturm trat, um auf das Wecken der Männer zu warten, und dass er anschließend wieder zum Frühstück mit den Offizieren nach unten stieg, ohne auch nur eine Minute geschlafen zu haben.
So wie er es schon an vielen Tagen gemacht hatte.
Aber nicht heute. Dafür war er einfach zu müde. Und es war zu kalt, um in nur vier Schichten Wolle und Baumwolle weiter hier herumzustehen. Um acht Glasen der Mittelwache war man im kältesten Bauch der Nacht, es war die Stunde, in der die
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