Terror
gelangen.
Das Offizierslogis nimmt sechzig der insgesamt sechsundneunzig Fuß Schiffslänge ein. Und da die Terror hier auf dem Unterdeck nur eine Breite von achtundzwanzig Fuß hat, ist der schmale Gang die einzige Verbindung nach achtern.
Crozier sieht Licht in der Großen Messe, wo sich einige seiner Offiziere selbst in dieser fürchterlichen Kälte und Finsternis an der langen Tafel eingefunden haben, um sich bei einer Pfeife oder einem Buch aus der dort eingerichteten, eintausendzweihundert Bände umfassenden Bibliothek zu entspannen. Und er hört Musik: Eine Metallplatte für die Drehorgel, die eine vor fünf Jahren in den Londoner Varietés beliebte Melodie spielt. Crozier weiß, dass es Leutnant Hodgson ist, der sich dieses Stück anhört; es ist sein Lieblingslied und treibt Leutnant Edward Little, Croziers Ersten Offizier und Liebhaber klassischer Musik, jedes Mal schier in den Wahnsinn.
Da ansonsten hinter dem Mast alles in Ordnung scheint, dreht sich Crozier um und blickt nach vorn. Das Mannschaftslogis belegt das restliche gute Drittel der Schiffslänge – sechsunddreißig Fuß. Abgesehen von den drei Stewards mit eigenen Kajüten drängen sich dort einundvierzig von den ursprünglich achtundvierzig Unteroffizieren, Matrosen, Schiffsjungen und Seesoldaten, die nach dem Zwischenhalt in Grönland an Bord geblieben sind.
Heute Abend gibt es keinen Unterricht, und in weniger als einer Stunde werden sie ihre Hängematten aufspannen und sich schlafen legen. Jetzt sitzen die meisten Männer auf ihren Seekisten oder auf irgendwelchem Staugut und unterhalten sich rauchend im trüben Licht. Mitten im Raum ragt der mächtige Patentherd der Firma Frazer auf, der Herd, in dem Mr. Diggle seinen Zwieback zubereitet. Für Crozier ist Diggle der beste
Koch der Flotte und so etwas wie ein Geschenk des Himmels, da er ihn noch im letzten Moment vor der Abreise Sir John Franklin weggeschnappt hat. Der begnadete Smutje gönnt sich praktisch keine Ruhe und treibt seine Gehilfen pausenlos mit unaufhörlichen Flüchen und Beschimpfungen, Stößen und Tritten an. Eine ganze Schar von Männern ist um den Ofen herum beschäftigt, und einzelne verschwinden immer wieder durch die Luke nach unten, um Vorräte heranzuschaffen und so Mr. Diggles wortreichem Zorn zu entgehen.
Auf Crozier wirkt der Patentherd fast so groß wie die Dampfmaschine in der Last. Neben dem gigantischen Ofenrohr und den sechs großen Flammen verfügt der unförmige Apparat über eine eingebaute Entsalzungsanlage und eine wuchtige Handpumpe, um Wasser aus dem Meer oder aus den riesigen Wassertanks unten im Laderaum zu schöpfen.
Doch sowohl die See draußen als auch das Wasser in der Last sind zurzeit gefroren, und so schwimmen in den großen, dampfenden Töpfen auf Mr. Diggles Flammen Eisstücke zum Auftauen, die seine Gehilfen aus den Wassertanks herausschlagen und nach oben schleppen müssen.
Hinter Mr. Diggles Regalen und Schränken, denen die vorderen Trennwände haben weichen müssen, erblickt der Kapitän das Schiffslazarett in der Vorpiek. Zwei Jahre lang hat es kein Lazarett an Bord gegeben. Stattdessen stapelten sich dort vom Deck bis zu den Balken Kisten und Fässer, und wer morgens um sieben Glasen den Schiffsarzt oder seinen Assistenten aufsuchen musste, fand ihn in der Nähe von Mr. Diggles Herd. Doch jetzt, da die Vorräte weniger werden und die Zahl der Kranken und Verletzten zunimmt, haben die Zimmerleute einen Teil der Vorpiek abgetrennt; er dient nun als Lazarett. Durch die höhlenartige Öffnung zwischen den Kisten kann der Kapitän den Platz ausmachen, der für Lady Silence zum Schlafen freigeräumt wurde.
Fast einen ganzen Tag lang haben sie im letzten Juni darüber gestritten. Franklin weigerte sich strikt, die Eskimofrau auf sein Schiff zu lassen. Crozier willigte ein, sie an Bord zu nehmen, doch die anschließende Debatte mit seinem Ersten Leutnant Little über die Frage, wo ihr Schlaflager sein sollte, grenzte ans Lächerliche. Sogar eine Eskimofrau wäre an Deck, in der Last oder auf dem Orlop erfroren, also blieb nur das erste Unterdeck.
In Croziers Zeit als halbwüchsiger Bursche vor dem Mast und später als Seekadett wurden an Bord geschmuggelte Frauen einfach in das lichtlose, fast luftlose, stinkende Kabelgatt im tiefsten und vordersten Teil des Schiffs gesteckt, wo die Glücklichen, denen die Frauen ihr Hiersein verdankten, sie von der Back aus leicht erreichen konnten. Allerdings hatte es selbst im Juni, als Silence
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