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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Stühlen und aus Diggles Metallbratrost schlugen die Flammen. In der allgemeinen Panik hatte jemand die mechanische Drehorgel umgestoßen, und in den wunderschön gearbeiteten Eichen- und Bronzerundungen des Apparats spiegelte sich das züngelnde Feuer.
    Crozier sah Fitzjames im weißen Zimmer stehen – die einzige Gestalt, die nicht maskiert war und nicht floh. Schroff packte er den Mann am Ärmel seines Überziehers. »Komm, James, wir müssen hier raus!«
    Der Kapitän der Erebus wandte langsam den Kopf und blinzelte seinen Vorgesetzten an, als wäre er ihm völlig fremd. Wieder lag dieses leise, abwesende Lächeln auf seinen Lippen.

    Crozier versetzte ihm eine Ohrfeige. »Komm jetzt!«
    Den benommen wankenden Fitzjames hinter sich herzerrend, stolperte Crozier aus dem brennenden weißen Zimmer, durch den vierten Raum, dessen Wände schon mehr von den Flammen als von der Farbe orange gefärbt wurden, und weiter in das grüne Zimmer. Das Labyrinth schien sich endlos hinzuziehen. Auf dem Eis lagen stöhnende Gestalten mit zerrissenen Gewändern und ein nackter Mann mit Verbrennungen, doch andere Seeleute blieben stehen, um ihnen aufzuhelfen und sie zum Ausgang zu schleifen. Der Boden war, wo nicht mit brennenden Segeltüchern bedeckt, übersät mit Kostümfetzen und abgeworfenen Wetterplünnen. Die meisten dieser Kleidungsstücke standen in Flammen oder hatten zu schwelen begonnen.
    »Komm, verdammt!« Immer noch zog Crozier den strauchelnden Fitzjames mit. Ein Seemann lag bewusstlos auf dem Eis. Es war George Chambers, der inzwischen einundzwanzigjährige Schiffsjunge von der Erebus , der bei den ersten Bestattungen auf dem Eis die Trommel gerührt hatte. Niemand schien ihn zu beachten. Crozier ließ Fitzjames kurz los, um sich Chambers über die Schulter zu legen, dann packte er den anderen Kapitän wieder am Ärmel. In diesem Augenblick schossen auf beiden Seiten die Flammen bis hinauf zum Tauwerk.
    In seinem Rücken hörte Crozier ein gewaltiges Fauchen.
    In der Gewissheit, dass sich das Wesen in der allgemeinen Verwirrung wieder von hinten angeschlichen hatte oder vielleicht sogar durch das Eis gebrochen war, fuhr er mit nur einer freien, zur Faust geballten Hand herum.
    Der ganze Eisberg dampfte und knackte vor Hitze. Große, überhängende Stücke brachen ab und krachten in die Tiefe. Sie zischten wie Schlangen, als sie in den Zeltirrgarten fielen, der ein einziges Flammenmeer war. Völlig entrückt blieb Crozier eine Minute lang reglos stehen. Die zahllosen Kanten des Eisbergs, in denen sich das Feuer spiegelte, ließen ihn an ein hell erleuchtetes,
hundert Stockwerke hohes Märchenschloss denken. Er wusste, dass er etwas Derartiges in seinem ganzen Leben nie mehr sehen würde.
    »Francis.« Kapitän Fitzjames schien wieder etwas wacher. »Wir müssen weiter.«
    Die Wände des grünen Zimmers waren bereits ein Raub der Flammen, und auch dahinter brannte es auf dem Eis. Die gierigen Finger des Feuers hatten nun selbst die letzten zwei Gemächer erfasst.
    Mit der freien Hand sein Gesicht schützend, stürmte Crozier los und scheuchte die letzten fliehenden Seeleute vor sich her.
    So stolperten die Überlebenden durch den purpurnen Raum hinaus in das lichterloh brennende blaue Zimmer. Das Heulen des starken Nordwestwinds mischte sich jetzt mit dem Schreien, Brüllen und Zischen, das vielleicht nur in Croziers Kopf war – er hätte es in diesem Augenblick nicht mit Bestimmtheit sagen können. Die Flammen wurden über den breiten Eingang des blauen Gemachs geweht und bildeten eine Feuerwand.
    Ungefähr ein Dutzend Männer, von denen manche noch Fetzen ihrer Kostüme am Leib trugen, waren vor diesen Flammen erstarrt.
    »LAUFT!«, donnerte Crozier mit seiner lautesten Taifunstimme. Diesen Befehl hätte selbst ein Ausguck auf der Bramsaling zweihundert Fuß über dem Deck bei starkem Sturm und vierzig Fuß hohen Wellen gehört. Und er hätte gehorcht. Auch jetzt gehorchten die Männer und sprangen schreiend durch das Feuer, dicht gefolgt von Crozier, der immer noch Chambers auf der rechten Schulter trug und Fitzjames mit der linken Hand hinter sich herzog.
    Mit dampfenden Plünnen nach draußen gelangt, rannte Crozier weiter, um zumindest ein paar von den Männern aufzuhalten, die sich blindlings in alle Himmelsrichtungen zerstreuten. Das allgemeine Durcheinander war so groß, dass der Kapitän das
weiße Ungeheuer nirgends zwischen den Seeleuten erkennen konnte, obwohl die Lichter und Schatten der Feuersbrunst

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