Terror
Beginnend bei Mr. Aylmore, wurden sie nacheinander an dieses Gitter gebunden.
Davor jedoch mußten die Männer stehend Capitain Croziers Anklage anhören. Aylmore und Manson hielten den Kopf gesenkt, während Hickey trotzig in aufrechter Haltung verharrte.
Aylmores Urtheil lautete auf fünfzig Hiebe wegen Insubordination und Gefährdung der Schiffsdisciplin. Wenn der stille Officierssteward nur die Idee für jene gefärbten Zelte beigetragen hätte – welche Eingebung er nach seinem eigenen Bekunden einer phantastischen Geschichte in einer amerikanischen Zeitschrift entnommen hatte –, wäre die Strafe gewiß weniger hart ausgefallen. Indeß war er nicht nur als Hauptplaner des Großen Venezianischen Carnevals in Erscheinung getreten, sondern hatte sich auch unterstanden, sich als Admiral ohne Kopf zu maskiren. Dieses
in Ansehung der Umstände von Sir Johns Ableben äußerst ungebührliche Verhalten hätte Aylmore, wie wir alle wußten, auch den Strang einbringen können. Den meisten von uns waren zudem Gerüchte über Aylmores Aussage vor den Capitainen zu Ohren gekommen, nach denen selbiger geschildert hatte, daß er mit einem Schrei in Ohnmacht gefallen sey, sobald er erkannt hatte, daß sich das Wesen aus dem Eise in der Dunkelheit unter die Vermummten geschlichen hatte.
Für Manson und Hickey lautete die Strafe auf fünfzig Hiebe, weil sie die Felle der zwey todten Bären zusammengenäht und als Kostüm getragen hatten, welches einen offenen Verstoß gegen Capitain Croziers ausdrückliches Verboth jeglicher heidnischer Fetische darstellte.
Sämmtliche Anwesenden wußten, daß mindestens fünfzig weitere Männer als Complicen an der Durchführung des Maskenballs betheiligt waren, indem sie selbigen planten, Leinen spannten und Segel färbten, und daß Crozier über alle Mitschuldigen eine gleiche Zahl von Hieben hätte verhängen können. Solchermaaßen mußte diese traurige Dreyfaltigkeit, bestehend aus Aylmore, Hickey und Manson, für das Fehlverhalten einer ganzen Mannschaft büßen.
Als die Trommelwirbel verklungen waren und die drey Unglückseligen in Reih und Glied dastanden, wandte sich Capitain Crozier an die gesammte Besatzung. Ich hoffe, mich möglichst genau an den Wortlaut seiner Ansprache zu erinnern:
»Diese Männer erhalten die Prügelstrafe wegen Verstoßes gegen die Schiffsordnung, aber auch wegen des fahrlässigen Verhaltens, dessen sich alle hier Anwesenden schuldig gemacht haben – einschließlich meiner selbst. Mögen alle hier Versammelten zur Kenntniß nehmen, daß die letzte Verantwortung für den Wahnwitz, welcher fünf unserer Schiffsmaaten das Leben und einen weiteren ein Bein gekostet hat und welchem ein Dutzend andere Narben zu verdanken haben werden, auf meinen Schultern ruht. Ein Capitain ist für alles verantwortlich, was auf seinem Schiffe geschieht. Und der Commandant einer Expedition trägt die doppelte Verantwortung. Die Thatsache, daß ich die Ausführung dieser Pläne geduldet habe, ohne ihnen Beachtung zu schenken oder gar einzuschreiten,
stellt eine grobe Fahrlässigkeit dar. Und zu dieser werde ich mich auch vor dem Kriegsgerichte zu bekennen haben, vor welches ich unweigerlich gestellt werden muß … falls wir uns aus dem ehernen Griff des Eises befreien und überleben sollten. Diese Hiebe – und viele weitere – müßten eigentlich auf meine Schultern fallen, und das werden sie auch, wenn meine Vorgesetzten ihr Urtheil über mich sprechen.«
Ich warf einen Blick auf Capitain Fitzjames. Gewiß hatten jegliche Vorwürfe, welche Capitain Crozier an sich selbst richtete, umso mehr für den Commander der Erebus zu gelten, da schließlich er es gewesen war, der den größten Theil der Zurüstungen für den Carneval beaufsichtigt hatte. Fitzjames’Antlitz war bleich und unbewegt. Sein Blick starrte ins Leere. Er schien mit den Gedanken anderswo.
»Unbeschadet der Thatsache, daß ich mich eines Tages selbst für meine Verfehlungen zu verantworten haben werde«, fuhr Capitain Crozier fort, »wollen wir nunmehr zur Bestrafung dieser Männer schreiten, welche von den Officieren der HMS Erebus und Terror in einem rechtmäßigen Verfahren des Verstoßes gegen die Schiffsordnung sowie der sträflichen Gefährdung des Lebens ihrer Maaten für schuldig befunden wurden. Mr. Johnson, darf ich bitten.«
Thomas Johnson, der kräftige und tüchtige Bootsmannsmaat der Terror, welcher auf diesem Schiffe bereits am Südpol fünf Jahre unter Crozier gedient hatte, trat vor
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