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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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sind, in den kommenden Wochen und Monathen das Überleben von hundert Männern auf See oder auf einem Fluß zu sichern. Wußten Sie übrigens, daß all diese Boote für das Segeln auf See gänzlich anders getakelt werden müssen als für eine Fahrt flußaufwärts?«
    Nun war es an mir, den Kopf zu schütteln.
    »Nun, das thut auch nichts zur Sache«, sagte Capitain Fitzjames. »Mit den Feinheiten unterschiedlicher Takelagearten können wir uns ein ander Mal beschäftigen, am besten an einem sonnigen, warmen Tage weit südlich von hier. Nun zu den letzten acht Booten … Die beiden ersten sind Pinassen, die nächsten vier Schiffsboote und die letzten zwey Dinghis.«
    »Die Dinghis kommen mir viel kürzer vor.«
    Capitain Fitzjames zog an seiner abscheulichen Pfeife und nickte, als hätte ich eine Perle der Weisheit aus der Heiligen Schrift enthüllt. »Ja, so ist es. Die Dinghis sind nur zwölf Fuß lang, die Pinassen dagegen achtundzwanzig Fuß und die Schiffsboote zweiundzwanzig Fuß. Aber sie haben sämmtlich keine Masten und Segel und verfügen nur über leichte Riemen. Ich fürchte, in diesen Booten müßten sich die Männer auf große Unbill gefaßt machen, wenn wir auf die offene See hinaus fahren würden. Es sollte mich nicht wundern, wenn Capitain Crozier sie zurückließe.«

    Offene See? Bisher war es mir noch gar nicht in den Sinn gekommen, daß wir mit diesen Booten auf einem ausgedehnteren Gewässer als dem Großen Fischfluß segeln könnten, welchen ich mir so ähnlich dachte wie die Themse, obgleich ich mehreren Berathungen beigewohnt hatte, bei denen derley Möglichkeiten durchaus angesprochen worden waren. Mein Blick ruhte auf den kleinen und ungemein zerbrechlich wirkenden Dinghis und Schiffsbooten, und mich beschlich die Vorstellung, daß die Besatzung derselben dazu verdammt seyn müsse, den Kuttern mit ihren zwey Masten und den Walbooten mit ihrem einzelnen hohen Mast nachzublicken, wenn diese davonsegelten und jenseits des Horizonts verschwänden.
    Die Männer in den kleineren Booten waren dem Untergange preisgegeben. Wie sollte darüber verfügt werden, wer in ihnen zu fahren hatte? Hatten die beiden Capitaine im Geheimen bereits eine Abrede getroffen?
    Welches Boot – und welches Schicksal – war mir bestimmt?
    »Wenn wir die kleinen Boote mitnehmen, lassen wir das Los entscheiden«, erklärte der Capitain. »Die Plätze in den Pinassen, Kuttern, Jollen und Walbooten werden nach den Schlepptrupps vergeben.«
    Offenkundig war mir die Unruhe deutlich ins Gesicht geschrieben.
    Capitain Fitzjames lachte – ein Lachen, welches in einen wüsten Husten überging – und klopfte an seinem Stiefel die Asche aus der Pfeife. Der Wind hatte aufgefrischt, und es war bitter kalt. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Es mußte schon nach Mitternacht seyn. Seit sieben Stunden herrschte Finsterniß.
    »Nur keine Sorge, Dr. Goodsir. Ich habe nicht Ihre Gedanken gelesen. Nur Ihren Gesichtsausdruck. Wie gesagt, für die kleinen Boote ziehen wir Lose, aber vielleicht nehmen wir die kleinen Boote gar nicht mit. Auf jeden Fall wird niemand zurückgelassen. Im offenen Wasser werden wir die Schiffe aneinanderbinden.«
    Ich war erleichtert und hoffte, daß der Capitain im Lichte der Laterne zwar mein Lächeln, aber nicht mein blutendes Zahnfleisch sehen möge. »Ich wußte gar nicht, daß man Schiffe mit Segeln an Schiffen ohne Segel festbinden kann.«

    »Meistens ist dies auch nicht möglich.« Capitain Fitzjames schlug mir leicht auf den Rücken, eine Berührung, welche ich unter meinen Wetterplünnen kaum spürte. »Nachdem ich Ihnen nun alle nautischen Geheimnisse über die achtzehn Boote verrathen habe, welche vielleicht zu unserer kleinen Flotte zählen werden, sollten wir besser wieder zurückgehen. Es ist ziemlich kalt hier draußen, und ich brauche noch ein wenig Schlaf, bevor ich um vier Glasen nach der Wache schaue.«
    Ich biß mir auf die Unterlippe und schmeckte Blut. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, Capitain Fitzjames, ich hätte noch eine letzte Frage.«
    »Frei heraus damit, Dr. Goodsir.«
    »Wann wird Capitain Crozier die Boote aussuchen, die für die Fahrt bestimmt sind, und wann werden sie ins Wasser gesetzt?« Meine Stimme klang so heiser, daß sie kaum zu verstehen war.
    »Ich weiß es nicht, Dr. Goodsir. Wahrscheinlich könnte es Ihnen auch Capitain Crozier nicht sagen. Vielleicht ist uns das Glück hold, und das Eis bricht in wenigen Wochen auf. Sollte es so seyn, bringe ich Sie

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