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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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noch bevor feststand, dass die Erebus unter dem Druck des Eises zusammenbrechen würde, ließ er Mr. Honey, den einzigen noch lebenden Zimmermann der Expedition, und seinen Maat Wilson Tag und Nacht arbeiten, um Schlitten zu bauen, auf denen sowohl die Boote als auch die Ausrüstung der Schiffe transportiert werden konnte.
    Sobald die ersten großen Schlitten aus Eiche und Messing fertiggestellt waren, schickte Crozier die Männer hinaus aufs Eis. Sie sollten die Schlitten erproben und sich mit ihrer Handhabung vertraut machen. Auf seinen Befehl hin tüftelten die Takler, die Steuermannsmaaten und sogar die Vortoppmänner an der Gestaltung der Geschirre herum, damit die Männer eine möglichst hohe Zugkraft ausüben konnten und möglichst wenig in ihren Bewegungen und im Atmen eingeschränkt wurden. Bis Mitte März standen die Pläne für die endgültigen Schlitten fest, und sie wurden in großer Eile zusammengebaut. Dabei erwiesen sich Geschirre mit elf Männern für die großen Schlitten, die Boote trugen, und mit sieben Männern für die kleineren Ausrüstungsschlitten als besonders günstig.
    Allerdings galt das nur für die Transporte zum Terror -Lager. Wenn sie danach aufs Eis hinauszogen und einige Männer zu krank zum Schleppen oder gar schon tot waren, bedeutete dies, dass für die Schlitten und Boote, die allesamt bis zu den Dollborden beladen waren, nicht mehr jeweils elf Mann zur Verfügung
standen. Noch mehr Arbeit und schwerere Lasten also für die von Skorbut und Erschöpfung gezeichneten Männer.
    In der letzten Märzwoche, als die Erebus bereits mit dem Tod rang, waren beide Mannschaften in der Dunkelheit und im kurzen Sonnenlicht draußen auf dem Eis und trugen Schleppwettkämpfe mit verschiedenen Schlitten aus. So gewöhnten sie sich an die Schlitten, erlernten die richtigen Kniffe und fanden heraus, welche Männer – ohne Rücksicht auf Schiffszugehörigkeit und Rang – am besten zueinanderpassten. Bei dem Wettbewerb ging es um bares Geld. Sir John hatte vorgehabt, in Alaska, in Russland, im Fernen Osten und auf den Sandwich-Inseln Andenken einzukaufen, doch noch immer stand die Kiste mit Schilling- und Guineamünzen unberührt im privaten Vorratsraum des Toten, denn die Gold- und Silberstücke für die Wettkämpfe stammten aus Francis Croziers Tasche.
    Crozier wollte unbedingt in Richtung Baffin-Bucht aufbrechen, sobald die Tage lang genug wurden, um größere Strecken mit dem Schlitten zurückzulegen. Er hatte Sir Johns Geschichten und George Backs Reisebericht gelesen. In dem Band, der sich in der Bibliothek der Terror befunden hatte und jetzt in Croziers Seesack auf einem der Schlitten steckte, wurde die kräftezehrende, sechshundertfünfzig Meilen lange Fahrt des Autors auf dem Großen Fischfluss zum Großen Sklavensee vor vierzehn Jahren beschrieben. Darüber hinaus sagte dem Kapitän auch sein Instinkt, dass die Überlebenschancen bei einer solchen Fahrt äußerst gering waren.
    Schon die einhundertsechzig Meilen zwischen der Position der Terror vor King-William-Land und der Mündung des Großen Fischflusses konnten sich als unüberwindbar erweisen, obwohl sie nur das Vorspiel zu der entbehrungsreichen Flussfahrt bildeten. Zum Kampf mit dem schlimmen Küsteneis kam auf dieser Strecke die Gefahr offener Wasserrinnen, die sie zum Aufgeben der Schlitten zwingen konnten, oder, wenn sich keine
Rinnen auftaten, die quälende Gewissheit, umtost von entsetzlichen Packeisstürmen Schlitten und Boote über das gefrorene Geröll der Insel schleppen zu müssen.
    Auf dem Fluss, falls sie ihn überhaupt erreichten, bekamen sie es mit Naturgewalten zu tun, für die Back abschreckende Worte gefunden hatte: »ein ungestümer, gewundener Verlauf von fünfhundertdreißig geographischen Meilen durch ein ehernes Land ohne einen einzigen Baum an den Ufern« und »nicht weniger als dreiundachtzig Wasserfälle, Katarakte und Stromschnellen«. Crozier konnte sich nur schwer vorstellen, wie seine Männer nach wochenlangem Schleppen der Schlitten noch stark und gesund genug sein sollten, um es selbst in den stabilsten Booten mit dreiundachtzig Wasserfällen, Katarakten und Stromschnellen aufzunehmen.
    Allein schon die Strecken, über die sie die Boote schleppen mussten, würden ihnen das Genick brechen.
    Kurz vor seinem Aufbruch mit den Bootsschlittengespannen zum Terror -Lager hatte der Schiffsarzt Goodsir dem Kapitän mitgeteilt, dass in spätestens drei Wochen, abhängig davon, wie viele Männer bis dahin

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