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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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persönlich zur Baffin-Bucht. Oder vielleicht schieben wir etliche dieser Boote in drey Monathen stromaufwärts in die Mündung des Großen Fischflusses. Selbst wenn wir erst im Julius zum Flusse gelangen, ist es durchaus denkbar, daß die Zeit noch hinreicht, um vor dem Wintereinbruch den Außenposten am Großen Sklavensee zu erreichen.«
    Er klopfte auf die geschwungene Wand einer Pinasse. Mich erfüllte ein sonderbarer Stolz ob der neu erworbenen Fähigkeit, dieses Boot als Pinasse zu erkennen.
    Möglicherweise war es jedoch auch eine der zwey Jollen.
    Ich bemühte mich, nicht an den Gesundheitszustand Edmund Hoars zu denken und auch nicht daran, was er uns anderen verheißt, wenn wir die achthundertfünfzig Meilen lange Fahrt den Großen Fischfluß hinauf, welcher auch Backs Fluß genannt wird, erst in einem Vierteljahr antreten. Und wer von uns wird noch am Leben seyn, wenn ein Boot nach weiteren entbehrungsreichen Monathen den Großen Sklavensee erreicht?
    »Und falls uns das Glück nicht hold ist«, setzte Capitain Fitzjames
unvermittelt mit leiser Stimme hinzu, »dann werden diese Kiele vielleicht nie mehr mit Wasser in Berührung kommen.«
    Darauf war keine Erwiderung möglich. Diese Worte bargen unser Todesurtheil. Ich wandte mich aus dem Lichte, um den Weg zurück zum Lazarettzelt einzuschlagen. Ich empfinde größte Hochachtung vor Capitain Fitzjames, und in diesem Augenblicke wünschte ich nicht, daß er mein Gesicht sah.
    Da fiel seine Hand auf meine Schulter und hieß mich inne halten.
    »Sollte es so kommen«, sagte er in entschlossenem Tone, »müssen wir eben in drey Teufels Namen zu Fuß nach Hause gehen.«

34
Crozier
    69°37′42′′ NÖRDLICHE BREITE | 98°41′ WESTLICHE LÄNGE
22. APRIL 1848
     
     
     
    I m arktischen Sonnenuntergang war sich Kapitän Crozier der Mathematik seines Purgatoriums nur allzu bewusst. Acht Meilen an diesem ersten Tag bis zum Nachtlager. Neun Meilen am nächsten Tag, die mit der mitternächtlichen Ankunft im zweiten Seelager endeten, wenn alles gutging. Am dritten und letzten Tag abermals acht Meilen mit einer besonders schweren Strecke an der Küste, wo die Schlitten über die hochgetürmte Barriere aus Eisbergen gezogen werden mussten. Danach die vorläufige Sicherheit des Terror -Lagers.
    Falls alle Mann von Croziers Schlittentrupps die Eisüberquerung überstanden und den Abstand zu dem Wesen hielten, das ihnen auf dem Eis folgte, würden an der windgepeitschten Nordwestküste der Insel einhundertfünf Besatzungsmitglieder aufeinandertreffen.
    Auf den ersten, überwiegend in vollkommener Dunkelheit unternommenen Schlittenfahrten nach King-William-Land im März waren die Männer so langsam vorangekommen, dass sie ihr erstes Nachtlager auf dem Eis oft noch in Sichtweite des Schiffs verbracht hatten. An einem Tag mit ununterbrochenem schweren Sturm aus Südosten hatte Leutnant Le Vesconte mit seinem
Trupp nach zwölf Stunden schwerster Plackerei nicht einmal eine Meile zurückgelegt.
    Aber mit der festen Schlittenspur und den in die Pressrücken geschlagenen Breschen war es viel leichter, zumal nun auch die Sonne schien.
    Crozier war nicht gern nach King-William-Land aufgebrochen. Trotz der riesigen Haufen Proviant und Ausrüstung und der kreisförmig errichteten Zelte hatten ihn seine Besuche am Victory Point nicht davon überzeugt, dass die Männer dort lange überleben konnten.
    Der fast ständig aus Nordwesten blasende Wind war im Winter mörderisch, im Frühling und im kurzen Herbst furchtbar und selbst im Sommer lebensbedrohlich. Die heftigen Gewitter mit Blitz und Donner, die der verstorbene Leutnant Gore bei seinem ersten Besuch dieser Landmasse im Frühsommer 1847 erlebt hatte, hatten sich bis in den frühen Herbst hinein fortgesetzt. So hatte Crozier schon bei den ersten Fahrten im vergangenen Sommer zusätzliche Blitzableiter und sogar Messingstangen aus Sir Johns ehemaliger Kajüte zu der Insel schaffen lassen.
    Bis zum Zusammenbruch der Erebus am letzten Märztag hatte Crozier immer noch gehofft, dass sie zur Ostküste der Boothia-Halbinsel und den womöglich dort vorhandenen Vorräten am Fury Beach aufbrechen konnten, um nach den aus der Baffin-Bucht kommenden Walfängern Ausschau zu halten. Wenn es sein musste, konnten sie wie der alte John Ross zu Fuß oder mit dem Boot an der Ostküste von Boothia hinauf zur Somerset-Insel oder vielleicht sogar wieder bis zur Devon-Insel gelangen. Und bestimmt hätten sie früher oder später im Lancaster-Sund

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