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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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starben, der Zitronensaft ausgehen würde, der ihr letztes, ohnehin nur noch schwaches Mittel gegen den Skorbut darstellte.
    Crozier wusste, wie schnell sie der ungehemmte Angriff des Skorbuts schwächen würde. Auf dem Weg nach King-William-Land mussten sie – mit leichten Schlitten und vollen Gespannen, bei Halbrationen und auf einer einen Monat lang ins Eis gegrabenen Bahn – etwas mehr als acht Meilen am Tag zurücklegen. Wenn es auf dem rauen Gelände und dem Küsteneis von King-William-Land nach Süden ging, konnte sich diese Strecke auf die Hälfte und weniger verringern. Sobald sie der Skorbut in seinem Würgegriff hatte, schafften sie vielleicht nur noch eine Meile am Tag und konnten bei Windstille die schweren Boote nicht einmal mehr gegen die Strömung des Großen Fischflusses hinaufrudern.
Ganz zu schweigen vom Tragen der Ausrüstung, falls es Stromschnellen zu umgehen galt.
    Nur zwei Dinge sprachen für den Weg nach Süden: die vage Möglichkeit, dass vom Großen Sklavensee bereits eine Rettungsmannschaft nach Norden aufgebrochen war, um sie zu suchen, und die einfache Tatsache, dass es in südlicher Richtung wärmer wurde. Zumindest könnte man so dem Tauwetter folgen.
    Dennoch hätte es Crozier vorgezogen, in nördlichen Breiten zu bleiben und die längere Strecke zur Boothia-Halbinsel einzuschlagen. Dafür gab es nur einen relativ sicheren Weg, wie er wusste. Er musste die Männer nach King-William-Land führen und dieses durchqueren. Mit der Insel im Rücken, die ihnen Schutz vor dem schlimmsten Wind und Wetter aus Nordwesten bot, konnten sie sich dann an den kurzen Marsch übers offene Eis zur Südostküste der Boothia-Halbinsel machen, um dann am Eisrand oder an der Küste entlang weiter nach Norden und schließlich über die Berge zur Fury-Bucht zu ziehen, immer in der Hoffnung, unterwegs auf Eskimos zu treffen.
    Das war der sicherere Weg. Aber auch der längere. Er erstreckte sich über eintausendzweihundert Meilen und war damit fast eineinhalbmal so lang wie der nach Süden den Großen Fischfluss hinauf.
    Wenn sie nicht schon bald nach der Ankunft auf Boothia auf freundlich gesinnte Eskimos trafen, waren sie alle längst mausetot, ehe sie die zwölfhundert Meilen bewältigt hatten.
    Dennoch hätte Francis Crozier lieber alles auf eine Karte gesetzt und versucht, geradewegs nach Nordosten über das Packeis zu marschieren, um dem Beispiel seines Freundes James Clark Ross zu folgen, der vor achtzehn Jahren mit der Fury auf der entgegengesetzten Seite der Boothia-Halbinsel festgesessen und mit kleinen Schlittengespannen die erstaunliche Strecke von sechshundert Meilen zurückgelegt hatte. Der alte Steward Bridgens hatte völlig recht: John Ross hatte vernünftig gehandelt, als er zu
Fuß und mit Schlitten nach Norden zog, um schließlich in zurückgelassenen Booten hinauf in den Lancaster-Sund zu gelangen und auf Walfänger zu warten. Und sein Neffe James Ross hatte bewiesen, dass es nicht ausgeschlossen war, mit dem Schlitten von King-William-Land zum Fury Beach zu gelangen.
     
     
    Eine Woche vor dem qualvollen Ende der Erebus hatte Crozier die kräftigsten Schlepper von beiden Schiffen – die Gewinner der Wettkämpfe und der letzten Münzen, die der Kapitän besaß  – zu einem Gespann zusammengestellt, ihnen den besten Schlitten gegeben und den Proviantmeister Mr. Helpman und den Zahlmeister Mr. Osmer angewiesen, sie mit allem auszustatten, was sie für eine sechswöchige Fahrt auf dem Eis benötigten.
    Das Kommando des elfköpfigen Schlittengespanns übernahm der Zweite Unterleutnant Charles Frederick Des Voeux von der Erebus , die Position des vordersten Zugmanns der Hüne Manson. Alle anderen neun wurden gebeten, freiwillig teilzunehmen. Keiner lehnte ab.
    Crozier musste wissen, ob es möglich war, einen vollbeladenen Bootsschlitten geradewegs über das offene Eis nach Nordosten zu schleppen. Am 23. März brachen die elf Männer um sechs Glasen der Morgenwache auf. Es war noch stockfinster, die Temperatur betrug minus neununddreißig Grad. Alle noch gehfähigen Besatzungsmitglieder beider Schiffe hatten sich versammelt und verabschiedeten ihre Maaten mit einem dreifachen Hochruf.
    Des Voeux und sein Gespann waren schon nach drei Wochen zurück. Niemand war gestorben, aber alle waren mit ihren Kräften am Ende – selbst der ansonsten unermüdliche Unterleutnant. Vier Männer hatten ernste Erfrierungen. Der Einzige des elfköpfigen Trupps, der nach den Entbehrungen nicht dem Tode

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