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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Irvings Leiche entdeckt?«

    »Jawohl, Sir. Von der Stelle, wo Farrs Gruppe gegessen hatte, war es ein Marsch von ungefähr fünfundzwanzig Minuten.«
    »Aber Sie haben nicht angefangen, am ganzen Leib zu zittern, nachdem Sie Irvings Leiche gefunden hatten, Leutnant Hodgson? Sie haben nicht fünfundzwanzig Minuten und länger geschlottert, als hätten Sie Schüttelfrost?«
    »Nein, Sir.« Hodgson wusste offenbar nicht, worauf Crozier mit seiner Frage hinauswollte. »Aber ich musste mich übergeben.«
    »Und wann haben Sie beschlossen, die Eskimos anzugreifen und zu töten?«
    Hodgson schluckte hörbar. »Nachdem ich durch mein Glas beobachtet hatte, wie sie Johns Tasche durchsuchten und mit seinem Fernrohr herumspielten, Sir. Sobald wir – Mr. Farr, Sergeant Tozer und ich – bemerkt hatten, dass die Eskimos den Schlitten umdrehten und sich zum Aufbruch bereitmachten.«
    »Und Sie haben den Befehl erteilt, keine Gefangenen zu machen?«
    Wieder senkte Hodgson den Blick. »Nein, Sir. Eigentlich habe ich mir darüber gar keine Gedanken gemacht. Ich war einfach … so wütend.«
    Crozier schwieg.
    »Allerdings habe ich zu Sergeant Tozer gesagt, dass wir einen der Eskimos fragen müssen, was passiert ist«, fuhr der Leutnant fort. »Vor dem Angriff bin ich also wohl davon ausgegangen, dass der eine oder andere von ihnen überleben wird.«
    »Wer hat den Befehl zum Feuern gegeben, Leutnant Hodgson? Sie oder Sergeant Tozer oder Mr. Farr oder jemand anders?«
    Hodgson blinzelte mehrmals rasch hintereinander. »Ich kann mich nicht erinnern, Sir. Ich bin nicht einmal sicher, ob überhaupt ein Befehl erteilt wurde. Ich weiß nur noch, dass wir uns vielleicht auf fünfzig, sechzig Fuß genähert haben und dass mehrere Eskimos nach ihren Speeren oder Harpunen griffen, dann
haben wir auf einmal alle in einer Linie geschossen, nachgeladen und wieder geschossen. Die Eingeborenen sind davongerannt, die Frauen haben geschrien … die Alte hat geschrien wie eine von diesen Todesfeen, von denen Sie uns erzählt haben, Kapitän Crozier, so ein hohes, trillerndes Kreischen. Auch nachdem sie schon von mehreren Kugeln getroffen war, hat dieses gotterbärmliche Plärren nicht aufgehört. Dann ist Sergeant Tozer zu ihr gegangen, er hat sich mit Johns Pistole über sie gestellt und … es ging alles so schnell, Kapitän Crozier. Ich habe so was noch nie erlebt.«
    »Ich auch nicht«, erwiderte Crozier.
    Fitzjames blieb stumm. Er hatte sich während der Opiumkriege bei mehreren wilden Feldzügen als Held hervorgetan. Sein Blick war gesenkt und schien nach innen gerichtet.
    »Kapitän Crozier, Kapitän Fitzjames«, sagte Hodgson, »ich übernehme die volle Verantwortung für alle Fehler. Nach Leutnant Irvings Tod war ich der ranghöchste Offizier beider Trupps. Ich trage allein die Verantwortung.«
    Crozier sah ihn an. Der Kapitän konnte die Stumpfheit seines eigenen Blicks spüren. »In der Tat, Leutnant Hodgson, Sie waren der einzige anwesende Offizier, und Sie waren und sind für das Ganze verantwortlich. In ungefähr vier Stunden möchte ich mit einem Schlittentrupp zum Schauplatz des Mordes ziehen. Wir brechen mit Laternenlicht auf und folgen Ihren Schlittenspuren. Spätestens bei Sonnenaufgang möchte ich dort sein. Sie und Mr. Farr sind die einzigen Zeugen des Geschehens, die ich mitnehmen werde. Gehen Sie jetzt schlafen und halten Sie sich um sechs Glasen bereit.«
    »Aye aye, Sir.«
    »Und schicken Sie Mr. Hickey herein.«

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Goodsir
    69°37′42′′ NÖRDLICHE BREITE | 98°41′ WESTLICHE LÄNGE 25. APRIL 1848
     
     
     
    Aus dem persönlichen Tagebuch
von Dr. Harry D. S. Goodsir:
     
     
    Dienstag, den 25. April 1848
    Ich war Leutnant Irving von Herzen zugethan. Er dünkte mich ein anständiger und herzensguter junger Mann. Wohl kannte ich ihn nicht näher, indeß habe ich in all den Monathen der Noth und vorzüglich in den vielen Wochen, seit ich nicht nur auf der Erebus , sondern auch auf der Terror thätig bin, nie erlebt, daß er sich einer Pflicht entzogen oder die Schiffsmaaten gescholten hätte. Sein Betragen gegen sie wie auch gegen mich war stets von ausgesuchter Liebenswürdigkeit und Höflichkeit.
    Ich weiß, daß der Capitain besonders erschüttert ist über diesen Verlust. Als er heute des Morgens um vier Glasen im Lager eintraf, zeigte sein Antlitz eine schaurige Blässe. Als Medicus hätte ich es nie für möglich gehalten, daß selbiges sich noch mehr entfärben könnte, doch genau dieses geschah, als er die

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