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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Thomas Jopson, die Verladung und den Transport des Kapitänszelts zum Terror -Lager überwacht. Crozier war ziemlich ungehalten, als er erfuhr, dass Jopson zu diesem Zweck nicht nur statt eines gewöhnlichen Zelts eines von doppelter Größe hatte nähen lassen, sondern den Männern auch zugemutet hatte, eine breite Schlafpritsche, zwei schwere Eichen- und Mahagonistühle aus der Großen Messe und einen reich verzierten Schreibtisch aus Sir Johns Besitz mitzuschleppen.
    Jetzt war Crozier froh um diese Möbel. Gemeinsam mit Fitzjames stellte er den massiven Schreibtisch zwischen dem Zelteingang und dem Schlafbereich auf und die Stühle dahinter. Die weit oben von der Spitze des hohen Zelts hängenden Laternen warfen ein unbarmherziges Licht auf den leeren Platz vor dem Pult, während die für Fitzjames und Crozier bestimmten Sitze im Halbdunkel blieben. Das Ganze strahlte die Atmosphäre eines Standgerichts aus.
    Und genau das wollte Crozier.
    »Du solltest dich hinlegen, Francis«, sagte Fitzjames.
    Crozier musterte den jüngeren Kapitän, der so jung nicht mehr aussah – eher schon wie eine wandelnde Leiche: blasse, fast durchscheinende Haut, die sich über dem bärtigen, mit eingetrocknetem Blut aus den Follikeln bedeckten Gesicht spannte, hohle Wangen, eingesunkene Augen.
    Crozier hatte schon seit Tagen nicht mehr in den Spiegel geblickt und auch den hier in seinem Zelt bewusst gemieden, doch
er hoffte inständig, dass er nicht so schlecht aussah wie das ehemalige Wunderkind der Royal Navy, Commander James Fitzjames.
    »Ich glaube, du brauchst auch ein wenig Schlaf, James«, erwiderte Crozier. »Ich kann die Leute genauso gut allein verhören.«
    Müde schüttelte Fitzjames den Kopf. »Ich habe sie natürlich schon befragt.« Seine Stimme klang tonlos, fast wie die eines Toten. »Aber ich war noch nicht am Schauplatz und habe auch kein richtiges Verhör angestellt. Ich wusste, dass du das selbst machen möchtest.«
    Crozier nickte. »Ich will beim ersten Tageslicht dort sein.«
    »Es liegt ungefähr zwei Marschstunden im Südwesten.«
    Crozier nickte erneut.
    Fitzjames nahm seine Mütze ab und strich sein langes, fettiges Haar mit schmutzigen Fingern zurück. Mit den Bootsherden, die sie hierher geschafft hatten, wurde nur Wasser zum Trinken und in seltenen Fällen zum Rasieren aufgetaut, für jene Offiziere, die sich noch dazu überwinden konnten. Zum Waschen blieb nichts mehr übrig. Fitzjames lächelte. »Der Kalfaterersmaat Hickey lässt fragen, ob er schlafen kann, bis er seine Meldung erstatten muss.«
    »Der Kalfaterersmaat kann verdammt noch mal genauso wachbleiben wie wir anderen.«
    »Das habe ich ihm auch gesagt«, antwortete Fitzjames leise. »Ich habe ihn als Posten eingeteilt. Das sollte ihn wachhalten.«
    »Oder umbringen.« Croziers Ton ließ keinen Zweifel daran, dass er diese Möglichkeit nicht für die schlechteste hielt. Mit lauter Stimme wandte er sich an den Gefreiten Daly, der vor dem Zelt Wache stand. »Sergeant Tozer soll hereinkommen.«
     
     
    Irgendwie gelang es dem großen, einfältigen Seesoldaten, trotz der Eindrittelrationen fleischig zu bleiben, auch wenn die anderen
knapp vorm Verhungern waren. Während des Verhörs stand er in Habtachtstellung, allerdings ohne seine Büchse.
    »Wie war Ihr Eindruck von den gestrigen Ereignissen, Sergeant?«
    »Alles wunderbar, Sir.«
    »Wunderbar?« Crozier dachte an die verstümmelte Leiche des Dritten Leutnants Irving im Obduktionszelt.
    »Jawohl, Sir. Der Angriff lief wie am Schnürchen. Alles wie am Schnürchen. Wir sin den Hügel runter, Sir, die Büchsen und Flinten gesenkt, wie wenn wir ihnen gar nix Böses wollen, und die Wilden ham uns kommen sehen. Aus fünfzig Fuß Entfernung ham wir dann das Feuer eröffnet und in ihre Reihen reingepfeffert. Ham’s den verdammten Saukerlen so richtig gegeben, Sir, das kann ich Ihnen sagen. Da sin nur noch so die Fetzen geflogen.«
    »Waren sie denn in Reihen aufgestellt, Sergeant?«
    »Also, genau genommen nicht, Sir. Die ham eigentlich mehr so rumgestanden, Sir. Wie Wilde eben.«
    »Und Sie haben sie schon mit den ersten Salven zur Strecke gebracht?«
    »Aye aye, Sir. Sogar mit den Schrotflinten aus der Entfernung. Wirklich ein umwerfender Anblick, Sir.«
    »Wie wenn man auf Fische in einer Regentonne schießt?«
    »Jawohl, Sir.« Ein breites Grinsen erschien auf dem roten Gesicht des Sergeants.
    »Haben sie Widerstand geleistet?«
    »Widerstand, Sir? Eigentlich nicht. Zumindest keinen

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