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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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einschlafen. Die Feuchtigkeit von ihrem Schweiß und ihrem Atem tropft von den unbedeckten Stellen der Wände, und es ist so warm in dem Schneehaus, dass sie in der ersten halben Stunde, nachdem sie sich hingelegt haben, auf die obere Schlafdecke verzichten.

64
Crozier
    Nachdem er das Land erschaffen hatte,
die Welt war noch dunkel,
hörte Tuluganiqpaq, der Rabe, zwei Männer vom Licht träumen.
Aber es gab kein Licht.
Alles war dunkel, wie es immer gewesen war.
Keine Sonne. Kein Mond. Keine Sterne.
Kein Feuer.
     
    Der Rabe flog landeinwärts, bis er ein Schneehaus fand,
in dem ein alter Mann mit seiner Tochter lebte.
Er wusste, dass sie Licht versteckt hatten,
dass sie ein wenig Licht gehortet hatten,
und so flog er hinein.
Er kroch hinauf durch den Stollen.
Er blickte hinauf durch den katak.
Dort hingen zwei Fellbeutel,
der eine enthielt die Dunkelheit,
der andere das Licht. Ref 14
     
    Die Tochter des Mannes saß wachend da,
während ihr Vater schlief.
Sie war blind.
Tuluganiqpaq sandte der Tochter den Gedanken,
dass sie spielen wollte.
»Lass mich mit dem Ball spielen!«
Der Ruf der Tochter weckte den alten Mann.
Der Mann nahm den Beutel, der das Tageslicht enthielt.
Das Licht war in eine Rentierhaut gehüllt.
Sie war warm vom Tag in ihrem Innern,
der nach draußen wollte.
     
    Der Rabe sandte dem Mädchen einen Gedanken,
damit es den Tageslichtball zum katak warf.
»Nein!«, rief der Vater.
Zu spät.
Der Ball fiel in den katak, er rollte durch den Stollen.
     
    Tuluganiqpaq hatte gewartet.
Er fing den Ball auf.
Er rannte durch den Stollen,
mit dem Tageslichtball unter seinen Flügeln.
     
    Der Rabe hackte mit dem Schnabel.
Mit dem Schnabel zerriss er die Fellhülle.
Er riss am Tageslicht.
Der Mann aus dem Schneehaus
jagte ihn durch die Flechten und das Eis.
Aber der Tageslicht-Mann war kein Mann.
Der Mann war ein Falke.
»Pitqiktaqtuaq!«, schrie der Falke.
»Ich werde dich töten, du Dieb!« Ref 15

     
    Er stürzte herab auf den Raben,
doch der Rabe hatte die Fellhülle schon aufgerissen.
Und die Morgendämmerung erhob sich.
Licht floss in alle Richtungen.
Qauga Sila! Die Morgendämmerung erhob sich.
     
    »Uunuaq! Unnuamun! Dunkelheit!«,
schrie der Falke.
»Qauga! Licht überall!«,
rief der Rabe.
     
    »Nacht!«
»Tageslicht!«
»Dunkelheit!«
»Tageslicht!«
»Nacht!«
»Licht!«
     
    So riefen sie in einem fort.
Der Rabe schrie:
»Tageslicht für die Erde!
Tageslicht für die Echten Menschen!«
Es ist nicht gut,
wenn wir eines haben, und das andere nicht.
     
    So brachte der Rabe einigen Orten das Tageslicht.
Und der Falke hielt an anderen Orten die Dunkelheit fest.
Aber die Vögel kämpften.
Die zwei Männer kämpften.
Sie warfen Licht und Dunkelheit aufeinander.
Das Tageslicht und die Nacht kamen ins Gleichgewicht. Ref 16

     
    Der Winter folgt auf den Sommer.
Zwei Hälften.
Licht und Dunkel ergänzen sich.
Leben und Tod ergänzen sich.
Du und ich, wir ergänzen uns.
     
    Draußen geht der Tuunbaq in der Nacht.
Wo wir uns berühren,
dort ist Licht.
     
    Alles ist im Gleichgewicht.

65
Crozier
    K urz nachdem sich die Sonne am südlichen Horizont zum ersten Mal wieder für ein paar Minuten gezeigt hat, brechen sie zu ihrer langen Schlittenfahrt auf.
    Allerdings weiß Crozier, dass nicht die Rückkehr der Sonne der Anlass für diese Entscheidung ist. Es ist das gewalttätige Geschehen am Himmel in den übrigen, den dunklen dreiundzwanzigeinhalb Stunden, aus dem Silence geschlossen hat, dass die Zeit reif ist. Während sie das Schneehaus für immer hinter sich zurücklassen, öffnen und schließen sich über ihnen schimmernde Bögen aus farbigem Licht wie die Finger einer Faust. Von Tag zu Tag wird das Polarlicht am Himmel heftiger.
    Für diese längere Fahrt haben sie einen stärkeren Schlitten gebaut. Er ist fast doppelt so lang wie das behelfsmäßige Gefährt auf Fischkufen, mit dem ihn Silence gezogen hat, als er noch nicht gehen konnte. Die Kufen des neuen Schlittens bestehen aus schmalen, sorgfältig geformten kleinen Holzstücken, die mit Walrosselfenbein verbunden sind. Sie haben Schienen aus Walknochen und abgeflachtem Elfenbein statt aus gefrorenem Schlamm. Trotzdem überziehen Silence und Crozier die Kufen mehrmals am Tag mit einem Eisbelag. Die Querstreben sind aus Geweihen und aus
ihren letzten Holzstücken gemacht, unter anderem aus dem Rahmen ihrer Schlafstätte. Für die nach oben ragenden hinteren Stangen haben sie Geweihe und Elfenbein fest zusammengelascht.
    Die Lederriemen sind jetzt

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