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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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für zwei Ziehende ausgelegt. Keiner von beiden wird auf dem Schlitten sitzen, außer im Fall einer Verletzung oder Krankheit. Aber Silence hat diesen Schlitten auch deswegen mit so großer Sorgfalt gebaut, weil sie hofft, dass er noch vor Ende des Jahres von einem Hundegespann gezogen wird.
    Sie ist schwanger. Es waren keine Fadenbilder, Blicke oder Zeichen nötig, um ihm das mitzuteilen. Er weiß es, und sie weiß, dass er es weiß. Wenn alles gutgeht, schätzt er, wird das Kind in dem Monat zur Welt kommen, den er früher als Juli bezeichnet hat.
    Auf dem Schlitten befinden sich Kleider, Felle, Kochgeschirr, Werkzeug, Konservenbüchsen als Wasserbehälter sowie gefrorener Proviant aus Fisch, Robbe, Walross, Fuchs, Hase und Schneehuhn. Aber einige dieser Lebensmittel sind für eine Zeit, die vielleicht nicht kommen wird – zumindest nicht für Crozier. Manches davon wird womöglich als Geschenk dienen, je nachdem, wie er sich entscheidet und was dann geschieht draußen auf dem Eis. Je nachdem, wie er sich entscheidet, werden sie beide zur Vorbereitung fasten, obgleich eigentlich nur er dazu verpflichtet ist, wenn er es richtig verstanden hat. Silence wird gemeinsam mit ihm fasten, weil sie als seine Frau nichts isst, wenn er nichts isst. Falls er stirbt, wird sie mit dem Schlitten und dem Proviant an Land zurückkehren, um dort ihr Leben zu leben und ihre Aufgaben zu erfüllen.
    Mehrere Tage lang ziehen sie an der Küste nach Norden und weichen dabei Klippen und steilen Hügeln aus. Einige Male treibt sie das schroffe Gelände hinaus auf das Seeeis, aber sie wollen sich dort nicht lange aufhalten. Noch nicht.
    Hier und da bricht das Eis auf, bildet aber nur schmale Rinnen. Sie halten nicht an, um in diesen Rinnen oder in Polynjas
zu fischen, sondern ziehen eilig weiter, manchmal zehn Stunden am Tag oder mehr, um so schnell wie möglich wieder an Land zu gelangen und dort weiterzuwandern, auch wenn sie auf diese Weise das Eis unter den Kufen viel öfter erneuern müssen.
    Am Abend des achten Tages erreichen sie eine Hügelspitze und blicken hinab auf eine Gruppe von Schneekuppeln.
    Silence hat darauf geachtet, sich dem kleinen Dorf von der Leeseite zu nähern. Trotzdem bricht einer der unten angepflockten Hunde in wildes Bellen aus. Doch die anderen bellen nicht mit.
    Crozier starrt die leuchtenden Gebilde an. Eines davon ist ein Gebäude mit mehreren Kuppeln, das aus mindestens einem großen und vier kleinen Schneehäusern besteht und über Gänge verbunden ist. Beim Anblick von so viel Gestalt gewordener Gemeinschaft spürt Crozier ein schmerzhaftes Ziehen in seinem Inneren.
    Gedämpft durch Schneeblöcke und Rentierhäute dringt das Lachen von Menschen herauf.
    Er könnte hinuntersteigen und diese Leute bitten, ihm den Weg zum Rettungslager zu zeigen, er könnte sie um Hilfe bei der Suche nach seinen Männern bitten. Crozier weiß, dass dies das Dorf ist, dessen Schamane nach dem Gemetzel an acht Eskimos auf der anderen Seite von King-William-Land entkommen ist. Die Menschen hier und auch die acht Ermordeten gehören zu Silence’ Sippe.
    Wenn er hinuntergeht und um Hilfe bittet, wird ihm Silence folgen und seine Worte mit ihren Fadenzeichen übersetzen. Sie ist seine Frau. Doch ihm ist auch etwas anderes bewusst. Gleichgültig, wie groß die Liebe dieser Eskimos zu seiner Frau und ihre Ehrfurcht vor ihr sind, wenn er nicht tut, was draußen auf dem Eis von ihm gefordert wird, ist es durchaus möglich, dass sie ihn lächelnd und freundlich nickend begrüßen und ihn später beim Essen oder Schlafen mit festen Bändern an den Handgelenken
fesseln, ihm einen Hautbeutel über den Kopf ziehen und so lange auf ihn einstechen – die Frauen zusammen mit den Jägern –, bis er tot ist. Er hat davon geträumt, dass sich sein rotes Blut auf weißen Schnee ergießt.
    Oder auch nicht. Vielleicht weiß Silence nicht, was geschehen wird. Wenn sie diese Zukunft geträumt hat, so hat sie ihm in ihren Fadenbotschaften nichts davon mitgeteilt.
    Im Augenblick will er es ohnehin nicht herausfinden. Solange er sich in der anderen Frage nicht entschieden hat, wird dieses Dorf nichts mit seiner unmittelbaren Zukunft zu tun haben.
    Im Dunkeln nickt er ihr zu, und sie wenden sich wieder von der Siedlung ab, um den Schlitten weiter an der Küste nach Norden zu ziehen.
     
     
    Für die wenigen Stunden, in denen sie unter Decken zusammengedrängt schlafen, hängen sie nur ein schützendes Rentierfell über die Schlittenstangen. In

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