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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Nächten – die paar Stunden Dunkelheit, die wir um diese Zeit haben – hatten wir es mit Pfannkucheneis zu tun. Also das, was wir letzte Woche erlebt haben, wenn die See immer kurz vor dem Zufrieren ist. Aber das ist eigentlich auch kein großes Problem. Vom Jungeis an den Küsten haben wir uns fernhalten können – da sieht es schon erheblich ernster aus. Dahinter sitzt nämlich das Festeis, das auch den Rumpf von Schiffen aufreißt, die so gepanzert sind wie unseres oder die
Terror . Aber wie gesagt, wir sind dem Festeis nicht nahe gekommen … bis jetzt.«
    Reid schwitzte. Ihm war anzusehen, dass er sich gern kürzer gefasst hätte. Und dabei hatte er Sir Johns Frage noch nicht vollkommen beantwortet. Wieder räusperte er sich und fuhr fort.
    »Also, was das Seeeis angeht, Sir John und meine Herren … mit dem Trümmereis und dem Treibeis und den Stücken, die von Eisbergen runtergebrochen sind – denen sind wir bis jetzt ausgekommen, weil wir breite Rinnen und offenes Wasser gefunden haben. Aber damit ist es bald vorbei. Die Nächte werden wieder länger, das Pfannkucheneis ist inzwischen überall, und wir stoßen immer öfter auf diese Hümpel und Presseisschollen. Und vor allem wegen dieser Presseisschollen machen wir uns auch Sorgen, Mr. Blanky und ich.«
    »Und weshalb, Mr. Reid?« Sir Johns Miene verriet seine übliche Langeweile angesichts von Erörterungen der unterschiedlichen Eisverhältnisse. Für Sir John war Eis einfach nur Eis – etwas, das man durchbrechen, umfahren und überwinden musste.
    »Es ist der Schnee, Sir John«, erwiderte Reid. »Der tiefe Schnee, der auf diesen Schollen liegt, und die Pegelmarken an den Seiten. Das bedeutet immer, dass weiter vorn altes Packeis wartet, Sir, so richtig festes Packeis, und da wird es uns nämlich einfrieren, verstehen Sie. So weit wir nach Süden und Westen schauen oder mit dem Schlitten fahren können, meine Herren, überall ist nur Packeis, bis auf den undeutlichen Schimmer von offenem Wasser weit südlich von King-William-Land.«
    »Die Nordwestpassage«, warf Commander Fitzjames leise ein.
    »Mag sein«, bemerkte Sir John. »Wahrscheinlich sogar. Aber um dorthin zu gelangen, müssen wir mehr als hundert Meilen Packeis durchqueren – vielleicht sogar bis zu zweihundert Meilen. Wie ich höre, hat der Eislotse der Terror eine Theorie dazu,
warum sich die Eisverhältnisse westlich von uns verschlechtern. Mr. Blanky?«
    Thomas Blanky wurde nicht rot. Abgehackt wie Musketenfeuer platzten die Silben aus dem Mund des älteren Eislotsen. »Wenn wir in dieses Packeis reinfahren, ist das unser Tod. Wir sind schon zu weit vorgedrungen. Tatsache ist, seit wir aus dem Peel-Sund gekommen sind, haben wir es mit einem Eisstrom zu tun, wie man ihn nördlich der Baffin-Bucht kaum schlimmer finden kann. Und die Lage verschärft sich mit jedem Tag.«
    »Und warum ist das so, Mr. Blanky?« Commander Fitzjames selbstbewusste Stimme verriet ein leichtes Lispeln. »Soviel ich weiß, müssten wir um diese Jahreszeit offene Fahrrinnen haben, bis die See wirklich zufriert. In der Nähe des Festlands, also zum Beispiel südwestlich der King-William-Halbinsel, müsste es doch mindestens noch einen Monat lang offenes Wasser geben.«
    Blanky schüttelte den Kopf. »Nein. Das ist kein Pfannkucheneis oder Schlammeis, meine Herren. Wir haben es hier mit echtem Packeis zu tun, das von Nordwesten runterkommt. Stellen Sie sich eine Kette von gigantischen Gletschern vor, die ständig Eisberge kalben und auf ihrem Weg nach Süden in einem Umkreis von Hunderten von Meilen alles zufrieren. Bisher waren wir nur davor geschützt, das ist alles.«
    »Geschützt wodurch?«, fragte Leutnant Gore, ein Offizier von ausgesprochen gewinnendem Äußeren.
    Kapitän Crozier gab Blanky mit einem Nicken zu verstehen, dass er für den Eislotsen die Antwort übernahm. »Durch all die Inseln im Westen, die wir auf unserer Fahrt nach Süden passiert haben, Graham. So wie wir vor einem Jahr entdeckt haben, dass Cornwallis-Land eine Insel ist, wissen wir inzwischen, dass das Prince-of-Wales-Land in Wirklichkeit Prince-of-Wales-Insel heißen müsste. Die Masse dieser Insel hat die Wucht des Eisstroms abgefangen, bis wir aus dem Peel-Sund heraus waren. Und jetzt sehen wir, dass es schweres Packeis ist, was da von den
Inseln oben im Nordwesten und vielleicht sogar vom Festland aus nach Süden heranrollt. Wenn es da unten im Süden überhaupt noch offenes Wasser an der Küste gibt, dann bestimmt nicht

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