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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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man sie zum letzten Mal gesehen. Kurz vor … dem Angriff.«
    »War sie an Deck, als das Wesen Heather und Strong attackiert hat?«
    »Niemand weiß was. Vielleicht war sie oben. Von unseren Männern waren nur Heather und Strong an Deck.«
    Crozier atmet geräuschvoll aus. Er fände es tragisch, wenn ihre geheimnisvolle Besucherin, die zum ersten Mal aufgetaucht ist, als dieser Alptraum vor einem halben Jahr begann, nun ebenfalls von dem Geschöpf ermordet worden wäre, dessen Anwesenheit irgendwie mit ihr verknüpft zu sein scheint.
    »Durchsuchen Sie das ganze Schiff, Leutnant Irving«, befiehlt er. »Jeden Winkel, jede Ritze, jeden Schrank, jedes Kabelgatt. Wenn sie sich tatsächlich nicht an Bord befindet, müssen wir wohl oder übel davon ausgehen, dass sie … verschleppt wurde.«
    »Sehr wohl, Sir. Wie viele Männer soll ich dafür auswählen?«
    Crozier schüttelt den Kopf. »Sie müssen das allein machen, John. Ich will, dass nachher alle Mann aufs Eis gehen und in den Stunden vor dem Lichterlöschen noch einmal nach Strong und Evans suchen. Wenn Sie Silence bis dahin nicht finden, schließen Sie sich einem Suchtrupp an.«
    »Aye aye, Sir.«
    Dabei fällt Crozier der Schwerverwundete ein, und er macht sich auf den Weg durchs Mannschaftslogis zum Lazarett. Beim Backen und Banken ist von den Männern an ihren Tischen gewöhnlich auch in diesen dunklen Tagen gutgelauntes Lachen und Reden zu hören, doch heute herrscht eine Stille, die nur vom Scharren der Löffel über Metall und einem gelegentlichen Rülpsen unterbrochen wird. Erschöpft sitzen die Seeleute auf den Seekisten, die sie als Stühle benutzen, und müde, eingefallene Gesichter blicken zum Kapitän auf, als er sich an ihnen vorbeidrängt.

    Crozier klopft an den Holzpfosten rechts vom Lazarettvorhang und tritt ein.
    Peddie sieht vom linken Unterarm des Vollmatrosen George Cann auf, den er gerade auf einem Tisch in der Mitte des Raums vernäht. »Guten Abend, Kapitän Crozier«, grüßt ihn der Wundarzt. Cann tippt sich mit der gesunden Hand salutierend an die Stirn.
    »Was ist passiert, Cann?«
    Der junge Seemann grunzt. »Ich bin grade so einen Scheißeiskamm raufgeklettert, da ist mir der Scheißflintenlauf in den Ärmel reingerutscht und hat meinen nackten Arm berührt, Sir, ’tschuldigung, dass ich mich so ausdrücke. Ich hab die Flinte rausgezogen, und da sin gleich sechs Zoll Haut mitgekommen, verdammte Scheiße.«
    Crozier nickt und sieht sich um. In dem winzigen Lazarett sind im Augenblick sechs Pritschen aufgestellt. Eine davon ist leer. Drei Leute schlafen. Sie leiden wahrscheinlich an Skorbut, wie ihm Peddie und MacDonald erklärt haben. Ein vierter Mann, Davey Leys, starrt blicklos zur Decke. Er ist bei Bewusstsein, reagiert aber seit einer Woche kaum auf die Außenwelt. Auf der fünften Liege erkennt er den Gefreiten William Heather.
    Crozier nimmt eine Lampe vom Haken an der Steuerbordwand und hält sie über Heather. Die Augen des Mannes glänzen, aber er blinzelt nicht, als Crozier ihn anleuchtet. Seine Pupillen sind stark erweitert. Sein Schädel ist mit einem Verband umhüllt, durch den Blut und grauer Schleim sickern.
    »Lebt er noch?« Croziers Stimme ist fast unhörbar.
    Peddie tritt heran und wischt sich mit einem Lappen die blutigen Hände ab. »Ja, so seltsam das auch ist.«
    »Aber oben haben wir doch sein Gehirn gesehen. Und jetzt sehe ich es auch.«
    Peddie nickt müde. »So etwas passiert. Unter anderen Umständen könnte er sogar gesund werden. Er wäre natürlich
schwachsinnig. Ich könnte eine Metallplatte über das Loch in seinem Schädel schrauben, und seine Verwandten, falls er welche hat, könnten ihn pflegen. Doch hier …« Peddie zuckt mit den Achseln. »Er wird an Lungenentzündung oder Skorbut sterben. Oder verhungern.«
    »Wie lange hat er noch?«, fragt Crozier. Der Matrose Cann ist mittlerweile durch den Vorhang verschwunden.
    »Das weiß nur Gott allein«, erwidert Peddie. »Wird noch immer nach Evans und Strong gesucht, Sir?«
    »Ja.« Crozier hängt die Laterne wieder an ihren Platz beim Eingang. Schatten fluten nach hinten über den Seesoldaten Heather.
    »Ihnen ist sicher klar«, stellt der erschöpfte Wundarzt fest, »dass Evans und Strong nicht mehr zu retten sind. Dagegen ist es sehr wahrscheinlich, dass jede weitere Suche neue Wunden, Erfrierungen und Amputationen mit sich bringt – viele Männer haben bereits eine oder mehrere Zehen verloren. Außerdem ist es fast unvermeidlich, dass

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