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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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einem Schiff Platz hat, in knapp drei Tagen auf die Terror umladen. Für ein paar Wochen wären wir dann eine recht beengte Familie, aber es wäre auch so etwas wie ein Neuanfang für unsere Expedition – die Kohlevorräte aufgefüllt, Lebensmittel für mindestens ein Jahr und ein voll seetaugliches Schiff.«
    »Alles auf eine Karte setzen«, wiederholte Blanky.
    Sir John schüttelte mit einem Mal den Kopf und lachte in sich hinein, als hätte er jetzt genug von diesem albernen Scherz. »Nun, Francis, das ist eine sehr … interessante  … Spekulation, aber wir werden die Erebus selbstverständlich nicht aufgeben. Und auch nicht die Terror , sollte Ihrem Schiff einmal ein kleines Missgeschick widerfahren. Nun, meine Herren, das Einzige, was ich heute an diesem Tisch nicht gehört habe, ist der Vorschlag, zur Baffin-Bucht zurückzukehren. Gehe ich recht in der Annahme, dass niemand zu einem solchen Vorgehen rät?«
    In der Kajüte blieb es still. Von oben hörte man das Poltern und Scharren der Matrosen, die zum zweiten Mal an diesem Tag das Deck mit ihren Gebetbüchern bearbeiteten.
    »Na schön, dann ist es also beschlossen«, stellte Sir John fest. »Wir setzen unseren Weg fort. Dazu sind wir nicht nur aufgrund unserer Befehle gehalten, sondern auch, wie einige von Ihnen hier sehr richtig dargelegt haben, aufgrund der Erwägung, dass es für uns sicherer ist, uns möglichst weit dem Festland zu nähern, auch wenn dieses genauso unwirtlich ist wie die furchtbaren Inseln, die wir auf unserem Weg hierher passiert haben. Francis, James, Sie können die Mannschaften von unserer Entscheidung in Kenntnis setzen.«
    Sir John erhob sich.
    Im ersten Augenblick starrten die anderen Anwesenden nur
benommen vor sich hin, doch dann sprangen die Navy-Offiziere rasch auf, nickten sich zu und verließen nacheinander Sir Johns geräumige Kajüte.
    Als die Männer durch den schmalen Kajütgang schritten und die Treppe zum Deck hinaufpolterten, zupfte der Schiffsarzt Fitzjames am Ärmel.
    »Commander, Commander«, protestierte Stanley. »Sir John hat mich gar nicht zu meinem Bericht aufgerufen. Dabei wollte ich doch alle über die steigende Anzahl verdorbener Lebensmittel unterrichten, die wir in den Konservendosen gefunden haben.«
    Lächelnd machte sich Fitzjames los. »Es wird sich bestimmt eine Gelegenheit für Sie finden, Kapitän Franklin unter vier Augen davon zu berichten, Mr. Stanley.«
    »Aber unter vier Augen habe ich es ihm doch schon längst gesagt«, beharrte der kleine Arzt. »Heute wollte ich die anderen Offiziere verständigen, für den Fall …«
    »Später, Mr. Stanley«, entgegnete Commander Fitzjames.
    Der Arzt redete weiter, doch Crozier war bereits außer Hörweite und bedeutete seinem Bootssteuerer John Wilson mit einem Wink, das Ruderboot für die Fahrt durch die enge Rinne bereitzumachen, an deren Ende der Bug der Terror im Packeis eingekeilt war. Schwarzer Rauch quoll aus dem Schornstein des Führungsschiffs.
     
     
    Auf ihrem Südwestkurs ins Packeis kamen die zwei Schiffe noch vier Tage lang kriechend voran. Die Terror verheizte große Mengen an Kohle, um sich mit Dampfkraft gegen das immer stärker werdende Packeis zu werfen. Das Schimmern des möglicherweise offenen Wassers weit im Süden war selbst an sonnigen Tagen nicht mehr zu sehen.
    Dann fiel am 9. September plötzlich die Temperatur. Die lange schmale Fahrrinne hinter der Erebus überzog sich zuerst mit
Pfannkucheneis und fror dann fest. Die See ringsumher war bereits zu einer wogenden weißen Masse aus Hümpeln, Eisbergen und mit plötzlicher Wucht aufgetürmten Pressrücken erstarrt.
    Sechs Tage lang versuchte es Franklin mit allen Kniffen des erfahrenen Arktisforschers: Er ließ Kohlenstaub auf dem Eis vor dem vorderen Schiff verteilen, er ließ die Segel backbrassen, Tag und Nacht arbeiteten Trupps mit riesigen Sägen, um das Eis Block um Block zu entfernen, man räumte die Fracht um, um das Gewicht im Schiff anders zu verteilen, hundert Männer gleichzeitig hackten mit Meißeln, Schaufeln, Pickeln und Staken auf das Eis ein, Warpanker wurden weit vorn im dicker werdenden Eis ausgebracht, um die Erebus – die am Tag vor dem plötzlichen Kälteeinbruch wieder die Führungsposition übernommen hatte – Schritt für Schritt weiterzuziehen. Zuletzt beorderte Franklin alle gesunden Männer aufs Eis, die in Taue und Schlittengeschirre eingespannt wurden und die Schiffe schwitzend, fluchend und schreiend Zoll für Zoll voranzerrten, bis

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