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Terry - Geschichten aus dem Leichenhaus

Terry - Geschichten aus dem Leichenhaus

Titel: Terry - Geschichten aus dem Leichenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Peters
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erfolgreiche Tätigkeit in der angesagten Hafengegend Düsseldorfs.
     An diesem schwülen Tag wählte er einen neuen Weg ins Tal hinein. Der schwarze Mantel wehte ihm um die dürren Knochen, der Kragen war hochgeschlagen.  Lars überquerte eine morsche Eisenbahnbrücke, die die Harmonie der Tannen etwas störte. Zu seiner Linken erstreckte sich ein träger Fluss. Das Ohrgeräusch wurde leiser, die Mücken hatten ihre Posaunen beiseite gelegt. Ob es Tinnitus war? Lars zwinkerte ungläubig mit den Augen, als er eine Fabrik mitten im Tal vor sich sah. Doch eine alte Fabrik in dieser beinahe schon intimen Landschaft erschreckte ihn. Wie war es nur möglich, dass er sie noch nie zuvor wahrgenommen hatte? Schon oft hatte er diese Strecke zum Joggen benutzt, aber seine Begleiter mussten ihn abgelenkt haben. Heute war er allein. Die Fabrik und ihre verkommenen Nebengebäude lagen höchstens einen Kilometer neben der gewohnten Strecke, aber das Tal machte einen kleinen Bogen und  wurde von riesigen, beinahe schwarzen Tannen, eifersüchtig versteckt. Eine Fabrik muss man nicht sehen, aber man muss sie wenigstens hören können, dachte Lars. Doch es blieb still. Kein Maschinenlärm oder Schreie von Vorarbeitern. Sein Blick wanderte über die äußere, eigentümliche Symmetrie der Fabrik, auf deren Dach ein riesiger, fünfzackiger, gebrochener Stern aus Metall wie eine futuristische Abwehrstation gegen UFOs angebracht war. Ein Firmenzeichen, das sogar die düsteren Tannen überragte? Neben dem Kamin lagen dicke Tanks, die aussahen wie poröse Hoden. Der Waldweg führte direkt auf den Schornstein zu. Er schien der einzige Zugang  zum Gelände zu sein, denn auf der anderen Seite bildeten Fluss und Berge eine natürliche Mauer. Auf einmal wusste Lars, weshalb kein Geräusch zu ihm drang: Die Fabrik war stillgelegt. Die ganze Szenerie wirkte dadurch noch bedrohlicher. Lars erinnerte sich an einen alten SF-Film, in dem ein einsamer Astronaut auf einem tödlichen Planeten in einer ebenso grotesken Situation war. Lars fehlte nur noch der passende Weltraumanzug. Da ging das Handy. Fluchend stellte Lars fest, dass die Nummer auch noch unterdrückt war. „Ja, was gibt`s?“ Seine Stirnfalten kräuselten sich, und er klang gereizt. Man kann sich auch im tiefsten Tal verstecken, trotzdem hängt mir immer jemand im Nacken!
    „Hier ist der Falter“, sagte eine undefinierbare Stimme. „Es geht bald los. Wie immer, im September.“ Dann wurde eingehängt. Lars steckte fluchend das Handy in die Tasche und holte tief Luft. So ein Idiot! Oder wollte ihn jemand auf den Arm nehmen, weil der gleichnamige Serienkiller sein Unwesen trieb? Plötzlich fühlte sich van Akkeren unsicher und wählte dann doch mutig den Abstieg. Der Kamin der morbiden Fabrik schien mit jedem Meter in den Himmel hinein zu wachsen, als die  Sonne allmählich unter ging Das riesige gebogene Eingangstor des Gebäudes sah aus, als wiese es den Weg in einen schwarzen Abgrund, in dem ein namenloses, triefendes Ungeheuer auf sein Opfer wartet. Pochenden Herzens trat Lars dennoch ein. Es war eiskalt, aber die Fabrik war tatsächlich leer. Und als Vögel  an ihm vorbeirauschten, rannte Lars sofort wieder mit einem Aufschrei nach draußen.  Laderampen waren mit Unkraut überwuchert.  Einige Container waren umgekippt und die Verbindungsgänge zwischen baufälligen Hallen verrostet. An der Straße endete das dicke Rohr eines Abwasserkanals, in dem sich kränkliche Ratten tummelten. Neonlampen hingen wie Krakenarme an den eingefallenen Dächern, die Jahre zuvor wohl in der Nacht die Wege beleuchtet hatten. Die Atmosphäre war auf irgendeine Weise elektrisch, vibrierend. Ein leises Summen lag wie ein sirrendes Netz verrückt gewordener Elektronenteilchen über dem Tal. Es roch modrig nach faulem Wasser. Inmitten des Geländes sah er eine kleine grüne Insel, mit Birken bewachsen, vom Fluss umspült. Das Wasser war trüb und schleimig. Zwei baufällige Brücken mit kunstvollem Eisengeländer sorgfältig ziseliert, führten zur Insel. Die Brücken sahen wesentlich älter als die Fabrik aus, die Bohlen waren allesamt morsch und drohten einzubrechen. Van Akkeren konnte immer noch nicht glauben, dass er dieses Gelände in all den Jahren übersehen hatte. Es ist höchste Zeit für Urlaub, dachte er. Alter Junge, pass` auf dich auf.
    „Hi, Lars! Ich bin Terry!“ rief eine zarte Stimme hinter ihm.
    Er fuhr erschrocken herum. Ein Mädchen, vielleicht zwölf, dreizehn Jahre alt, saß

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