Tesarenland (German Edition)
durch sein Hemd hindurch. Ich öffne meine Lippen einen kleinen Spalt und sofort erobert er meine Mundhöhle mit seiner Zunge.
Es fühlt sich gut an, was Luca da macht. So gut, dass ich alles um mich herum vergesse. So gut, dass ich mir wünsche, er würde nie aufhören. Es betäubt den Schmerz in meiner Brust. Lässt mich die Qualen vergessen, die Kayla durchgestanden hat. Ich schiebe meine Hände unter Lucas Hemd, streichel über seinen festen Rücken. Er ist ganz heiß. So heiß wie meine Schwester noch vor wenigen Tagen. Aber es ist mir egal. Jetzt in diesem Moment sind wir hier, und es ist schön. Und schon morgen könnten wir tot sein.
Die Gewissheit, dass ich sterben werde, fühlt sich anders an als damals im Funktionshaus, als ich dachte, die Frau im weißen Kittel, würde meinen Tod anordnen. Jetzt habe ich keine Angst.
20. Kapitel
»Was machen wir jetzt«, fragt Luca mich. »Wir können sie nicht hier lassen .«
Kayla ist jetzt einen Tag tot, vielleicht auch zwei. Ich weiß es nicht. Hier unten sieht man die Sonne nicht aufgehen. Ich kann nicht sagen, ob wir gerade Tag oder Nacht haben. Ich kann nicht einmal sagen, wie viel Zeit inzwischen vergangen ist. Wir haben geschlafen, uns geküsst, Tee gekocht, gegessen. Luca hat irgendwann die Decken, die mit Kaylas Erbrochenem voll sind weggebracht. Ich habe mir Mühe gegeben, nicht daran zu denken, dass Kayla nicht mehr am Leben ist. Es macht mich noch immer traurig, aber es fühlt sich nicht mehr so schwer in meiner Brust an, weil ich weiß, ich werde sie bald wiedersehen.
Luca sagt, er hat die Decken verbrannt. Ich fühle mich seit dem letzten Aufwachen noch schwächer. In meiner Brust brennt es. Ich versuche, nur flach zu atmen. Mein Körper schmerzt, ich mag mich nicht bewegen. Am liebsten würde ich mich in Lucas Arme kuscheln und nicht nachdenken müssen. Auch nicht darüber, was wir mit Kaylas Körper tun sollen.
»Lass sie hier bleiben«, sage ich. Meine Stimme ist heiser. Irgendwie mag ich sie so.
»Wir können sie nicht hierlassen.« Luca schaut auf die Decke unter der sich Kaylas Körper abzeichnet. »Sie fängt an zu riechen, und wenn wir noch schwächer werden, werden wir es nicht mehr schaffen, sie wegzubringen. Findest du nicht auch, dass sie eine Bestattung verdient hat.« Luca hockt sich vor mich hin und streichelt mit dem Daumen über meine Lippen. Ich schließe die Augen und genieße das Kribbeln, das sich von dort bis in meinen Bauch ausbreitet. Er schiebt seine Finger in mein Haar, zieht mich zu sich heran und küsst mich.
»Du bekommst einfach nicht genug von mir«, nuschelt er an meinem Mund, als ich meine Arme um seinen Nacken schlinge. Seine Küsse fühlen sich nicht nur aufregend an, sie lassen mich auch vergessen. Wenn Luca meine Lippen mit seinen berührt, dann gibt es in meinen Gedanken nur noch ihn. Da ist kein Virus mehr, keine Kayla, kein Tod. Nur Sorglosigkeit.
Ich ziehe mich zurück, nachdem ich seinen Kuss noch einen Moment genossen habe. »Und du doch auch nicht.«
»Du hast recht, ich kann auch nicht genug von mir bekommen .«
Ich muss lachen, was meine Laune deutlich hebt. Mir gefällt es nicht, Kayla zu bestatten, das hat so etwas Endgültiges. Aber was Luca sagt, ist richtig, ihr steht eine Bestattung zu. »Und wo wollen wir sie verbrennen? Dort oben können wir nicht.«
Luca zieht mich vom Boden hoch. »Dort oben ist niemand. Ich hab nachgesehen, als ich die Decken verbrannt habe .«
Wir tragen Kayla zusammen, aber eigentlich trägt Luca sie mehr als ich es tue. Es ist Tag, als wir oben ankommen. Luca hat schon Holz zusammengetragen und zu einem riesigen Berg gestapelt. Wir legen Kayla oben auf, eingewickelt in eine Decke. Ihre Hand ist herausgerutscht und ich nehme sie zwischen meine. Sie fühlt sich so fremd an, kalt und tot. Trotzdem will ich sie nicht loslassen.
»Ich tu das nur, damit du zu Mutter gehen kannst. Sag ihr, dass ich auch bald komme.« Es fällt mir so schwer, das zu tun. Ihr Körper wird dem Feuer ausgesetzt werden, es fühlt sich an, als würde ich sie ein weiteres Mal verraten. Ich bekomme einen Hustenanfall und trete von Kayla zurück. Ich will nicht, dass mein Blut sie beschmutzt.
Heute ist es kalt. Dicke graue Wolken verdecken den Himmel. Das Wetter passt, denke ich. Es ist trüb, grau und traurig. Tränen laufen mir über die Wangen. Bisher habe ich mein Versprechen gehalten, ich habe nicht geweint. Aber jetzt überrennt mich die Realität, bricht über mir
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