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Tesarenland (German Edition)

Tesarenland (German Edition)

Titel: Tesarenland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Savannah Davis
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herein. Es gibt kein Zurück mehr. Kayla ist gegangen. Sie ist schon lange fort und gleich wird nichts mehr von ihr zurückbleiben. Es wird sein, als hätte es sie nie gegeben. Und in ein paar Tagen werde auch ich fort sein, und dann wird niemand mehr hier sein, der bezeugen kann, dass es meine kleine Schwester gab.
    Luca kippt einen ganzen Kanister Alfratol über Kayla und dem Holzstapel aus. In meinem Magen breitet sich Übelkeit aus. Mein Bauch krampft und ich beuge mich vornüber. Ich kann nicht einmal sagen, ob der Gedanke an Kaylas Verbrennung oder die Krankheit die Übelkeit auslöst. Aber ich reiße mich zusammen, schlucke den sauren Geschmack herunter. Ich werde jetzt nicht Spucken.
    Luca zieht sein Feuerzeug aus seiner Hose, zündet einen Ast an, den er zuvor in die klare Flüssigkeit getaucht hat, und wirft ihn oben auf den Holzberg. Er landet genau auf Kayla. Die Decke fängt sofort Feuer. Wenig später steigen schwarze Rauchwolken in den grauen Himmel hinauf. Ich schaffe es bis zum Fuß der Treppe, dann übergebe ich mich in einem dunkelbraunen Schwall.
    Luca legt seinen Arm um meine Taille und schleift mich zurück in unseren Raum.
    »Wir sollten ein paar von Kaylas Bildern aufhängen«, sage ich ächzend. Luca will mich auf dem Bett runterlassen in dem Kayla gelegen hat. Irgendwie fühlt sich das komisch an, deswegen weiche ich schnell auf unser Deckenlager aus.
    »Wie du willst«, sagt Luca und ich bin mir nicht sicher, ob er die Bilder oder das Bett meint.
    »Wie lange wird es dauern, bis die Tesare den Rauch sehen und kommen?« Ich sehe lächelnd zu Luca auf, aber er lässt sich nicht täuschen. Die Schmerzen stehen mir wohl ins Gesicht geschrieben. Ich huste und würge. Luca zieht mich an sich.
    »Hier unten finden sie uns nicht. Wir müssen das alles hier noch verbrennen«, flüstert er, während er sich im Raum umsieht. »Wir können nicht zulassen, dass irgendwann jemand hier reinkommt und den Virus nach draußen bringt .«
    »Verbrenn uns gleich mit«, sage ich gequält. Die Vorstellung ist gar nicht so schlecht. Wir bräuchten einfach alles hier unten nur anzünden und in den Flammen sterben. Dann wäre es bald vorbei. Wir müssten nicht langsam vor uns hin siechen wie das sieben Sommer alte Mädchen, das wir eben bestattet haben.
    Luca tupft mit einem Tuch über meine Stirn. »Vielleicht hast du gar nicht so unrecht .« Er zögert und sieht mich ernst an. Ich streiche ihm mit dem Daumen über seine Augenbraue.
    »Wie meinst du das ?«
    »Alles anzünde n, und uns gleich mit«, sagt er und grinst mich an. Ich denke trotzdem darüber nach. Wäre es einfach, uns selbst zu töten? Wir könnten zusammen sterben, Arm in Arm. Und danach wäre ich mit Luca zusammen bei Kayla, Mutter und Vater. Oder würde Luca woandershin kommen – zu seiner Familie?
    »Du musst dir sicher sein, dass du es wirklich willst«, sagt Luca ernst und schiebt mich ein Stück von sich weg.
    »Dass ich was will?«, frage ich, weil ich ihm nicht folgen kann.
    »Es zu Ende bringen. Es wird nicht einfach werden, aber wir müssen nicht länger kämpfen .«
    Ich setze mich weiter auf und sehe Luca mit gerunzelter Stirn an. »Ich weiß nicht, was du meinst.« Er kann doch nicht wirklich wollen, dass wir uns lebendig den Flammen übergeben.
    Statt mir eine Antwort zu geben, zieht er die Waffe aus seinem Hosenbund. Er dreht sie in der Hand hin und her. »Damit würde es genauso schnell gehen, wie mit einem Speer .«
    Mir klappt der Mund auf. Meint er das wirklich, er will uns erschießen? Aber so abwegig erscheint es mir dann doch nicht. Ich muss einen Augenblick darüber nachdenken. Es würde nur einen Wimpernschlag dauern. Das wäre viel kürzer als die Qualen, die Kayla durchgestanden hat. Bei ihr hat es Tage gedauert. Und ich will nicht, dass Luca sich um meine Hinterlassenschaften kümmern muss. Es so zu tun, wäre also das kleinere Übel. Andererseits. Wenn wir es nicht so tun, bleiben uns vielleicht noch ein paar Tage zu zweit. Die möchte ich auch nicht missen. Die Vorstellung, Luca gleich nicht mehr in den Armen halten zu können, ihn vielleicht niemals wiederzusehen …
    Ich habe gerade erst meine Schwester gehen lassen. Die unter Qualen gestorben ist. Ich möchte mich nicht an Kaylas Schmerzen erinnern, aber die Bilder kommen von ganz allein. Auch wenn ich keine Angst mehr vor dem Sterben habe, davor diese Hölle durchstehen zu müssen, fürchte ich mich.
    »Wird es wehtun ?«, höre ich mich fragen.
    Luca schaut mich an.

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