Tesarenland (German Edition)
hinein in ein schwarzes Loch, ähnlich dem zur U-Bahn-Station, nur gibt es hier keine Stufen, nur einen kleinen Berg, der in die Dunkelheit führt.
Ein Mann läuft vor mir und zerrt mich hinter sich her. Es ist nicht Luca, da bin ich sicher, weil der keine grauen Haare hat. Wir laufen auf ein paar Autos zu und der Mann zischt mir über die Schulter zu, ich solle mich schneller bewegen. Stattdessen stemme ich mich gegen ihn. Drücke meine Füße so derb wie möglich in einen Riss in der grauen Oberfläche, die so viel weiß ich langsam, für die Autos der Menschen gemacht wurde. Der Mann flucht, lässt mich los und rennt noch tiefer in diesen Keller hinein.
Dann höre ich Geräusche von draußen. Erst das leise Glucksen eines Tesars, dann das näher kommende Summen eines Fliegers. Ich beginne zu Rennen, dem Mann hinterher, den ich längst aus den Augen verloren habe. Ich sehe mich um. Hier unten stehen Autos, keine, von Pflanzen überwucherten Skelette, sondern Autos, die mehr Ähnlichkeit mit denen haben, die die Tesare benutzen. Ich laufe an ein paar vorbei, versuche, den Mann zu finden.
Wohin ist er verschwunden? Dort muss ich auch hin, denn das muss der einzige Ausgang sein, den ich benutzen kann, ohne den Tesar oben in die Arme zu laufen. Denn rechts gibt es außer den Autos nur noch eine dunkle Wand, die genauso unüberwindbar aussieht wie die vor mir. Ein leiser Pfiff, dann eine Hand, die hinter einem der Autos links von mir vorschießt und mich zu sich winkt. Ich springe hinter das Auto und werfe dabei den grauhaarigen Mann um. Er rappelt sich wieder auf, wirft mir einen genervten Blick zu und drängt sich vor mich.
»Wenn wir Glück haben, haben sie nicht gesehen, dass wir hier rein sind«, flüstert er.
Ich versuche durch die zerschlagenen Fenster des Autos, etwas zu sehen und wünsche mir, dass ich das nicht getan hätte, denn gerade kommt ein Tesar den Weg hinunter, den ich unfreiwillig genommen habe. Mit zusammengebissenen Zähnen hocke ich mich wieder hinter den Mann und versuche, mich so klein wie möglich zu machen. Erst jetzt sehe ich die grüne Armbinde um den Oberarm des Mannes.
Ich bin mitten in eine Jagd geplatzt. Wie konnte ich nur so blöd se in und alleine hier rauf kommen? Luca ist da draußen, was wenn er schon lange tot ist? Was, wenn ich das hier auch nicht überlebe, dann ist Kayla ganz allein? Meine Hände zittern und ich balle sie zu Fäusten zusammen, so fest, dass mir die Nägel schmerzhaft in die Handinnenflächen schneiden. Aber der Schmerz hilft mir, ruhiger zu atmen. Alles, was jetzt nicht passieren darf, ist, dass dieser Tesar meinen keuchenden Atem hört und uns entdeckt.
Der Mann dreht sich langsam um, eigentlich verdreht er vielmehr seinen Oberkörper so sehr, dass er mich sehen kann. Wahrscheinlich hat auch er Angst, dass eine unvorsichtige Bewegung ein Geräusch auslösen könnte. Der Tesar kommt noch immer näher. Er scheint mit uns zu reden, denn er gluckst vor sich hin.
Der Fremde deutet über meine Schulter. Auch ich verdrehe meinen Oberkörper. Hinter mir befindet sich eine Mauer, die nur etwa so hoch ist wie die Autos. Darüber befindet sich ein schmaler Spalt, in den von oben und unten noch Glasspitzen ragen. Vielleicht war das mal ein Fenster. Jetzt ist es der einzige Weg für uns nach draußen. Ich nicke dem Fremden zu, damit er weiß, dass ich verstanden habe.
Der Mann springt auf, zieht sich die Mauer hoch und lässt sich auf der anderen Seite herunterrollen. Es muss tief runtergehen dort draußen, denn der Mann ist verschwunden. Ich kann ihn nicht mehr sehen. Dafür sehe ich den Tesar, der vor dem Auto auftaucht und mich mit schief gelegtem Kopf anschaut.
Er scheint verwirrt zu sein, vielleicht, weil er mich nicht wiedererkennt. Vielleicht hat er bemerkt, dass ich keine Armbinde trage. Ich denke nicht lange darüber nach, springe auf und ziehe mich auch die Mauer hoch. Meinen Oberkörper habe ich schon nach oben gehievt, ich kämpfe mit meinen Beinen. Als ich über meine Schulter zurückschaue, kann ich im Augenwinkel sehen, dass der Tesar etwas nach mir wirft. In dem Moment, wo ich meine Beine auf die Mauer ziehe, bleibt eine silberne Scheibe in der Wand, wenige Zentimeter unter mir, stecken. Mir stockt der Atem, ich starre den Tesar erschrocken an, dann rolle ich mich von der Mauer und falle – tief.
Unter mir sind Sträucher, Ranken und hohes Gras, die meinen Fall abbremsen. Das macht den Schmerz nicht weniger schlimm, als ich in das Geäst stürze,
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