Tessa
atmet den schweren Geschmack.
»Hast du meine Tasche nicht mitgebracht?«
Sie lacht übertrieben. »Sorry, die habe ich vergessen.«
Er sieht sie ernst an. »Und was hast du gemacht?«
»Ich habe gearbeitet.« Sie verschweigt ihm, dass das Arbeiten nicht mal zwanzig Minuten gedauert hat. Er sieht sie immer noch ernst an. »Nick, es tut mir leid, wie ich mich vorhin benommen habe.« Tessa dreht das Weinglas in ihrer Hand. »Ich werde aufhören, so hysterisch zu sein.« Sie nimmt einen Schluck und bemerkt seinen Blick auf das Weinglas. Sie stellt es ordentlich zurück auf den Tisch. Er starrt sie schweigend an. »Was?«, fragt sie gereizt, aber bereut ihre heftige Reaktion sofort. »Entschuldige.«
Zweifelnd sieht Nick sie an. »Ich verstehe dich nicht.« Er schüttelt seinen Kopf.
»Was meinst du?«, fragt Tessa. »Bei mir läuft es gerade scheiße.« Sie stöhnt und zieht sich eine Haarsträhne lang. »Ich habe nicht einmal Geld zum Einkaufen und rauche meine letzten Kippen. Ich muss wieder an coole Jobs rankommen.«
»Brauchst du Geld? Soll ich dir was borgen? In meiner Tasche müsste noch ein Umschlag stecken.«
Sie greift hastig nach ihrem Weinglas. Trinkt einen großen Schluck. »Nein, ich komm schon klar.« Sie sieht ihn mit großen und hoffentlich unschuldigen Augen an und greift über den Tisch nach seiner Hand. »Wollen wir heute Abend etwas gemeinsam unternehmen. Ich mein, vielleicht könnten wir zusammen auf eine Party gehen oder einen Film ausleihen?«
»Geht nicht, ich bin nachher mit einer Freundin verabredet, ich wollte ihr meinen Film zeigen. Danach eventuell noch zu einer Party von Freunden.«
Falsche Antwort. Tessa zieht ihre Hand wieder zurück. »Welche Freundin?«
»Du hast sie nicht kennengelernt.« Sein Ton klingt distanziert.
»Die Blonde?«
»Nein. Welche Blonde?«
»Willst du mich verarschen, Nick? Die blonde Bitch, der du gestern Nacht den Rücken gekrault hast.«
»Nee, Tessa. Oder? Das hatten wir doch schon.«
Sie sieht ihn irritiert an. Warum fragt der Arsch sie eigentlich nicht, ob sie mitkommen möchte. Sie runzelt die Stirn, betrachtet Nick, der die Karte studiert. Das Thema scheint für ihn vorbei zu sein. Er hat sie nicht gefragt, ob sie ihn begleiten will. Im Kopf wiederholt sie immer wieder seine Worte. Nein. Vielleicht sollte sie selber diese beschissene Beziehung beenden. Dann kann er ohne schlechtes Gewissen mit der Blonden rummachen. Der Kellner steht wieder neben ihnen, sie versucht sich schnell etwas auszusuchen, aber die Buchstaben verschwimmen vor ihren Augen. Der Appetit ist ihr auch vergangen. Aber plötzlich steht der Entschluss. Sie steht ruckartig auf, dabei gerät die Bank ins Schaukeln, und das dumpfe Wanken, das metallische Geräusch auf den Steinplatten ist für einen kurzen Moment das Einzige, was zu hören ist, dann dreht sie sich um und geht fort. Als sie die Straße überquert, hört sie Nick hinter sich ihren Namen rufen. So ein Arsch. Das war es für sie. Aus. Vorbei. Sie krallt sich an ihrer Handtasche fest, knickt auf den kleinen Pflastersteinen ein paarmal fast um. Aber sie dreht sich nicht noch einmal um.
Als sie bei sich zu Hause ankommt, lässt sie sich mit dem Rücken an ihrer Wohnungstür zu Boden gleiten. Wartet darauf, dass Nick klingelt, um seine Tasche abzuholen. Krampfhaft überlegt sie, was sie sagen soll, ob sie versuchen soll, es wiedergutzumachen, aber sie ist nur müde. Sie schließt die Augen. Als es klingelt, zuckt sie zusammen, obwohl sie sein Kommen die ganze Zeit erwartet hat. Sie drückt auf den Türöffner, greift hastig nach seiner Tasche und stellt sie in den Hausflur. Rasch schließt sie die Tür wieder, lauscht seinen Schritten im Treppenflur. Die Schritte verstummen, fast hört sie sein Atmen auf der anderen Seite der Tür. Sie wartet auf sein Klopfen, hat die Hand schon am Türgriff, als sie hört, wie sich seine Schritte wieder entfernen. Eine Träne läuft über ihre Wange, sie kramt in ihrer Tasche nach dem Handy und wählt die Nummer von Charlotte.
Tessa hat das Taxi verpasst, mit dem Charlotte sie auflesen wollte. Alle sind schon auf der Party. Sie stakst entschlossen zur nächsten U-Bahn-Station. Auf dem Bahnhof stehen die üblichen Heroinverkäufer und diskutieren heftig. Neugierig setzt sich Tessa auf dieselbe Höhe, um den Streit mitzuhören. Fast enttäuscht muss sie feststellen, dass sie die Sprache nicht versteht. Die U-Bahn in die entgegengesetzte Richtung rollt ein. Ein Junkie steigt aus,
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