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Tessa

Tessa

Titel: Tessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Karlsson
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Bartstoppeln in ihren Pulsadern gefunden werden. Erst sauber machen. Sie versucht es, indem sie den Rasierer gegen den Wannenrand schlägt, das dumpfe Pochen stört die Stille. Kurzer einäugiger Kontrollblick einer Betrunkenen, ein paar widerspenstige dicke Haarstoppeln hängen noch immer fest. Sie stöhnt. Versucht mit ihren Fingernägeln zwischen den Klingen zu kratzen. Sie ritzt kleine Krater in das Horn ihrer Nägel. Nicht schön, denkt sie. Und taucht wieder unter. Sie hat eine neue Idee und taucht wieder auf. Sie lacht schrill. Das vergisst er ihr nie. Sie beugt sich zum Waschbecken und greift nach seiner Zahnbürste. Sie rutscht fast in der Wanne aus und muss sich schnell bücken, um sich am Badewannenrand festzuhalten. Etwas vorsichtiger greift sie zum Waschbecken, hält sich diesmal fest. Alles klappt, und mit der Zahnbürste lässt sie sich wieder ins mittlerweile lauwarme und schaumlose Badewasser gleiten. Ihre Stimmung fängt an zu kippen. Der romantische Moment verpufft. Das Wasser ist zu kalt. Sie muss den Stöpsel rausziehen, um Platz für heißes Wasser zu schaffen. Sie dreht den heißen Wasserhahn auf. Stöpsel wieder rein, bevor sie ohne Wasser dasitzt. Sie lacht vor sich hin. Wodka nachschenken. Die nächste Zigarette anzünden. Abwarten, bis es sich fast zu heiß anfühlt. Der Schaum ist weg, stattdessen wirkt das Wasser milchig. Toller Kontrast zum kommenden Rot. Sie putzt sorgsam den Rasierer. Die Zahnbürste wirft sie anschließend achtlos aus der Badewanne. Sie nimmt den Rasierer und lässt ihn über ihre Pulsadern gleiten, ein leichter Kratzer. Ihr Gesicht ist dennoch schmerzverzerrt. Erst einmal wieder entspannen. Vielleicht ist der Winkel falsch. Sie kratzt, schabt, Hautfetzen, weiße Striche, die sich mit Blut füllen. Sie taucht wieder unter.

Die Kälte trifft sie hart. Sie will die Augen nicht öffnen, aber sie wird unsanft geschüttelt.
    »Was soll der Scheiß?«, hört sie in der Ferne die verzweifelte Stimme von Nick.
    Welcher Scheiß? Sie versucht sich zu wärmen und rückt näher an die Stimme. Aber sie wird fortgeschüttelt. Sie friert am ganzen Körper. Sie will die Augen nicht öffnen. Wieder merkt sie, wie sie geschüttelt wird. Kann das mal ein Ende haben? Sie versucht aufzustehen, das Bett zu suchen. Warme Decken. Der Boden ist kalt. Die harten Fliesen drücken gegen ihre Wirbelsäule. Sie versucht sich noch mehr zusammenzurollen.
    »Wach auf!«
    Sie will alles, nur nicht aufwachen, dabei ist sie halb wach. Also versucht sie bei all dem Geschüttel ihre Augen leicht zu öffnen.
    »Was hast du gemacht?«
    Nur ihr Zischen. »Nichts, nichts.«
    »Du bist krank!«
    »Ich will nicht mehr.« Sie fällt wieder zu Boden, der warme Griff hat sich gelöst. Sie hört ein Aufheulen. Ihr eigenes? Sie versucht sich mühsam von dem kalten Stein hochzuhieven. Sie rollt in seine Richtung. Nick stößt sie unsanft weg, und sie schlägt mit ihrem Kopf gegen die harten Fliesen der Badewanne, sie bleibt erst einmal liegen. Das Heulen wird lauter, wie das eines verletzten Wolfes. Sie kann ihm nicht helfen, sie kann sich selbst nicht helfen. Auf allen vieren kriecht sie ins Schlafzimmer, sie kann ihr eigenes Geheule nicht ertragen. Sie wärmt sich zwischen den Laken. Hat sie was falsch ­gemacht? Nicht denken. Dann wird schon alles wieder.
    Eine Hand liegt auf ihrer Hand. Sie lächelt, öffnet die Augen und blickt in das Gesicht eines Fremden. Erschrocken versucht sie ihre Hand wegzuziehen.
    »Würden Sie bitte aufstehen und mit uns kommen?«, fragt sie der fremde Mann. Er trägt viel Weiß, sein Haar hat er zu einem lockeren Pferdeschwanz nach hinten gebunden. Graue Strähnen durchziehen das ungepflegte Haar.
    »Nein.« Sie schließt die Augen wieder und kämpft um ihr Handgelenk, der Griff wird fester, und sie kriegt Panik. Als sie ihre Augen wieder öffnet, entdeckt sie, dass er sie gar nicht festhält, sondern ihr einen festen Verband um das Handgelenk gelegt hat.
    Ein fragender, liebenswürdiger Blick, den sie voll Abscheu registriert.
    »Wir können Sie auch auf der Trage mitnehmen, wenn Ihnen das angenehmer ist.«
    »Ich kenn Sie nicht. Was wollen Sie von mir?«, blafft sie ihn an. Sein Gesichtsausdruck verändert sich nicht, nimmt sie irritiert wahr. Vielleicht muss sie netter sein und wird dann in Ruhe gelassen.
    »Sie können gehen, ich bin okay«, sagt sie in einem ruhi­ge­ren Ton. Sie muss nur kurz schlafen, dann wird alles wieder gut.
    »Ihr Freund meint, sie seien nicht ganz so

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