Tessa
ist vom vielen Heulen verstopft, sie kriegt kaum Luft. Sie lässt sich zur Seite fallen, entdeckt Staubmäuse in den Ecken, sieht Krümel dicht vor ihren Augen, wie Berge ragen sie in Miniatur auf. Ihr Herz schlägt kräftig, ihr Mund ist ausgetrocknet. Sie muss was trinken. Langsam steht sie auf, fällt auf ihr nacktes Knie, kleine Steinchen drücken ein wildes Muster hinein. Ihr Gesicht ist versteinert. Sie drückt sich vom Boden ab, hält sich an der Wand fest, geht langsam ins Wohnzimmer. An ihren nackten Fußsohlen spürt sie den Staub. Sie geht zu ihrer Kaffeetasse und sieht sie angewidert an, stattdessen nimmt sie sich die noch nicht angezündete Zigarette vom Arbeitstisch, steckt sie in den Mund, greift sich das Feuerzeug, zögert kurz, nimmt sich das Zettelchen und zündet es an. Langsam kämpft sich die orange Flamme vorwärts und frisst die geschwungene Schrift, bis sie sich fast die Finger verbrennt. Sie lässt das brennende Papier auf den Boden fallen. Vielleicht hat er die Schlampe noch nicht angerufen. Isabell, was für ein beschissener Name. Die Glut glimmt rot, sie greift nach ihrer Tasse und schüttet Kaffee drauf, der sich langsam auf dem unbehandelten Holz ausbreitet. Dann zündet sie sich ihre Kippe an, geht in die Küche und sucht den Wodka. Sie findet ihn ordentlich zurückgestellt im Eisfach. Sie trinkt einen großen Schluck direkt aus der Flasche, beim Absetzen bleibt sie mit ihren Händen an dem vereisten Glas kleben. Ein unangenehmes Gefühl. Sie nimmt sich ein großes IKEA-Glas aus dem Küchenregal und gießt es randvoll. Es beschlägt schnell. Sie lässt sich auf den Küchenstuhl niedersinken, raucht ihre Zigarette und trinkt den kalten Wodka in kleinen, vorsichtigen Schlucken, um ihren Magen nicht vorsätzlich zu reizen. Ihr Gesicht fühlt sich gespannt und ausgetrocknet an. Zu viele Tränen. Bei dem Gedanken fängt sie wieder an zu schluchzen. Hastig zieht sie an der Zigarette und raucht sie bis zum Filter. Ihr Kopf wird langsam klarer. Sie will nicht mehr. Genug gekämpft. Das Leben macht einfach keinen Sinn. Alles ist schlecht. Sie steht langsam auf und geht ins Badezimmer. Sie stellt sich vor den Spiegel und sieht in ihr mascaraverschmiertes Gesicht. Dunkle schwarze Ränder unter den Augen, der Rest rot verheult und aufgequollen. Ein hässlicher Anblick, schnell schüttet sie sich klares Wasser ins Gesicht, trocknet es ab und entdeckt Nicks Rasierer, der sie freundlich vom Waschbeckenrand anlacht. Sie wirft einen Blick auf die Badewanne. Sie lässt heißes Wasser einlaufen und sieht sich nach einem Badeschaum um, kann aber nur ein Aveda-Haarshampoo entdecken. Das wird es auch machen, es riecht zumindest gut. Sie geht zurück ins Wohnzimmer, um sich ihre Zigarettenschachtel zu holen. Neben dem Sessel bückt sie sich, und als sie sich aufrichtet, wird ihr schwarz vor Augen. Sie geht zum Fenster, öffnet es weit, der laute Verkehr von der Straße schlägt ihr entgegen. Sie dreht sich vom Fenster weg, geht langsam zurück, steigt über die achtlos verlassene Wolldecke, die noch immer vor dem Sessel liegt. Sie fühlt sich plötzlich verantwortlich, und so nimmt sie die Decke, streichelt kurz über die kratzige Oberfläche. Sie legt sie ordentlich zusammen, atmet noch kurz den alten, nie in Genuss von irgendwelchen Waschmitteln gekommenen Geruch der Wolle ein, geht zurück zum Fenster und legt die Decke über das Fensterbrett, vielleicht freut sie sich über die frische Luft.
Das Wasser ist zu heiß und brennt auf der Haut. Sie nimmt ihr noch eiskaltes Glas und trinkt es halb leer. Der Wodka breitet sich kalt im Rachen aus. Mit der Zigarette zwischen den Lippen taucht sie tief ins Wasser, versucht aber dabei, ihren Mund nicht nass werden zu lassen, denn sie hasst feuchte Filter. Ihre Einsamkeit erwischt sie erneut mit voller Härte. Und sie fängt wieder an zu weinen. Hoffnungslosigkeit breitet sich aus, und eine Weile heult sie vor sich hin. Sie trinkt verbissen das Glas aus. Und zündet sich Zigaretten an. Das Hungergefühl wird vom Wodka gedämpft. Sie muss das Glas nachfüllen, und beim Aufsetzen schwappt das Wasser über den Badewannenrand. Leichtigkeit erfasst ihren Kopf. Sie ist zu faul, um in den Aschenbecher zu zielen. Die Asche verteilt sich neben der Wanne und schwimmt in den kleinen Pfützen, die sich auf dem weißen Fliesenboden gebildet haben.
Unsicher greift sie nach dem Rasierer. Die schwarzen Barthaare von Nick kleben daran. Wie unglamourös, sie will nicht mit
Weitere Kostenlose Bücher