Tessa
okay.«
»Mein Freund?« Sie lacht hart. »Wollen Sie mich verarschen? Mein Freund? Mein Freund, der Sie anruft, um mich loszuwerden?«
»Ganz ruhig.«
»Selber ruhig! Wenn ich gehen soll, dann gehe ich. Aber bestimmt nicht mit Ihnen.« Sie richtet sich im Bett auf. »Nick!«, brüllt sie.
»Wir machen das schon«, sagt der Sanitäter in einem Ton, als würde er mit einem Kleinkind sprechen.
»Was machen Sie schon? Lass mich in Ruhe. Nick!«
»Sie haben einen Suizidversuch unternommen. Sie brauchen ärztliche Betreuung.«
»Wie kommen Sie denn auf den Scheiß? Ich wollte meine Beine rasieren. Und das ist alles. Sie können jetzt gehen.«
»Aber Ihr Freund …«
»Nick, jetzt komm endlich!«
»Ihr Freund hat uns angerufen.«
»Ach ja? Und seit wann ist er bitte schön wieder mein Freund?« Sie richtet sich auf und schreit in Richtung Schlafzimmertür: »NICK!« Dann dreht sie sich wieder zu dem Sanitäter. »Wo ist er überhaupt? Hä, wo ist mein scheiß Freund?«
»Also, wir können das ganz einfach handhaben, ich schlage vor, Sie kommen jetzt bitte mit uns mit.« Der Sanitäter trägt sein einstudiertes Lächeln, sie bemerkt ein paar lange schwarze Haare, die aus seiner Nase ragen, und sieht ihn angeekelt an. Aber sie muss versuchen, sich zusammenzureißen, um wieder Kontrolle über die Situation zu erlangen. Sie zwingt ein ebenso sauberes Lächeln auf ihr Gesicht. Sie versucht sich gerade hinzusetzen, mit der Decke ihren nackten Oberkörper zu bedecken. Ihr Kopf brummt. Ruhe bewahren. Sich nichts anmerken lassen. Die Situation in den Griff kriegen. Sie sieht ihn unschuldig an. »Ich habe mich mit meinem Freund gestritten, Nick, ja der, der sich jetzt nicht reintraut. Und er hat Schluss gemacht. Hat gesagt, er will mich nie wieder sehen. Er hätte sich in eine Neue verliebt. Und er ist aus der Tür gestürmt. Hat geschrien, ich solle abhauen. Ich wollte nicht. Und er hat die Tür laut zugeschmissen. Er ist gegangen, hat mich alleine gelassen, mit diesen Neuigkeiten. Sie hören mir zu?«
Der Sanitäter nickt. Trotz des grauen Haares scheint er nicht so alt zu sein und hofft wahrscheinlich immer noch auf Kooperation.
»Ich weiß, dass man nicht am Vormittag trinken soll, aber ich habe ein, na ja«, sie lächelt ihn an, »vielleicht zwei kleine Gläser Wodka getrunken. Und dann bin ich in die Badewanne, und ich wollte ihn einfach zurück. Und ich habe mich da so entspannt reingelegt und dachte zuerst, das würde ihn vielleicht anmachen, wenn ich da nackt liege. Und er kommt wieder und entdeckt mich dort.« Sie beugt sich näher an den Sanitäter und fängt an zu flüstern. »Auf seinem Schreibtisch habe ich diesen Zettel gefunden, so eine widerliche Frauenhandschrift, mit Nummer und so einem Herzchen, und dann wollte ich ihm einen Streich spielen. Ich liege also in der Badewanne und warte und warte, damit er kommt und mich da liegen sieht. Und dann habe ich gedacht, es würde ein wenig dramatischer aussehen, wenn ich dabei so tun würde, als würde ich mich wegen ihm umbringen wollen. Dann habe ich ein bisschen geübt, aber sieh doch selbst.« Sie streckt ihren Unterarm hervor. Versucht den Verband wegzuwischen. Der Sanitäter greift dazwischen. Versucht sie davon abzuhalten. »Aber guck doch.« Sie schiebt seine Hand weg.
Er gibt nicht auf. »Lassen Sie bitte den Verband dran.«
»Nein, du musst doch sehen, nichts, ein paar jämmerliche Kratzer.«
Der Sanitäter hält ihren Unterarm fest. Sie gibt auf, sieht ihm in die Augen.
»Ich weiß, das war gemein.« Sie rückt noch näher, hält sich nun vertrauensvoll an seinem Unterarm fest. »Aber es ist auch nicht so wahnsinnig witzig, wenn der Freund eine andere hat.«
Sie reibt ihren Kopf an dem schmalen Oberarm des Sanitäters, er müffelt, vielleicht liegt das an seinen ungewaschenen Haaren. Sie versucht es zu ignorieren, indem sie die Luft anhält, sich noch einmal entschieden dagegenschmiegt, um dann wieder den angemessenen Abstand zu gewinnen. Sie atmet tief ein. »Du verstehst mich doch?«
Er sieht sie äußerst verwirrt an. Überlegt kurz. »Warum duzen Sie mich?«
»Entschuldigung, aber Sie kamen mir so vertraut vor, als würden Sie mich verstehen.«
»Also, ich weiß nicht.«
Sie neigt ihren Kopf. Sieht ihn von unten an. »Ich gebe es zu, mein Plan war schlecht. Ich wollte niemanden mit reinziehen« – fast glaubt sie es selbst –, »aber ich wollte ihn wiederhaben. Und jetzt sagt er ja selbst, dass er mein Freund ist. Also er ist es
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