Tessa
lässt ihn dann einfach liegen. Kraftlos kickt sie die Schuhe in die staubige Ecke, zu den anderen. Abgeriebenes Leder türmt sich. Auf dem Weg ins Bett pellt sie sich aus ihrem Kleid. Eine Spur von Stoffen im Flur. Sie knallt gegen den Türrahmen der Schlafzimmertür und hält sich für einen Moment die schmerzende Schulter. Nackt legt sie sich unter die Decke. Will nur vergessen. Der Bezug ist kalt. Sie rollt sich zusammen und bibbert vor sich hin. Sie fühlt sich benutzt. Was hat sie nur Schlechtes begangen? Sie stopft das Laken in den Mund. Ein dumpfer Schrei. Sie schämt sich. Sie friert, die Heizung klopft, dabei ist ihre wahrscheinlich nicht einmal an. Sie hat keine Tränen, nur Trauer, so viel, dass sie nicht einmal an Selbstmord denken kann. Sie will nur schlafen, will wegtauchen, will diese Welt verlassen, aber ihr Geist rast. Angst. Alles ist schlecht. Die Decke fühlt sich fremd an. Der Kleiderständer hängt halb über dem Bett, ihre Klamotten liegen überall verstreut. Aber sie kann sich nicht bewegen, um den Ständer wieder aufzurichten, denn ihr ist so kalt. Es gibt kein Morgen, die Sonne ist schon aufgegangen, aber man sieht sie nicht, weil eine schwere, graue Wolkenwand sie in Gefangenschaft hält. Ein Druck im Unterleib, sie muss auf die Toilette. Sie kämpft dagegen an, aber kriecht schließlich geschlagen unter der Decke hervor. So kalt. Ihre Zähne schlagen aufeinander. Schüttelfrost. Im Badezimmer greift sie nach ihrem Bademantel, der in der Ecke liegt, und setzt sich auf die Toilette. Ein brennender Schmerz, und es kommen nur ein paar Tropfen raus. Blasenentzündung, schreit es in ihrem Kopf. Sie schleppt sich in die Küche, kann aber keinen Tee finden, deswegen gießt sie sich nur heißes Wasser in eine Tasse. Kalk schwimmt auf der Oberfläche, und sie schüttelt sich angewidert. Gießt neues Wasser in den Wasserkocher, kann aber nicht warten. Muss zurück in ihr Bett. Sie greift nach einem Löffel und entfernt die Fetzen von der Oberfläche. Ihre Hände zittern. Sie macht sich wieder auf den Weg ins Schlafzimmer, verschüttet heißes Wasser und tritt mit ihren nackten Füßen hinein. Sie umgreift die Tasse fester. Setzt sich aufrecht in ihr Bett, pustet in die Tasse und nippt vorsichtig. Graues Licht sickert durch die Gardine. Zu wenig. Sie schaltet die Nachttischlampe ein. Sie windet sich, muss wieder aufstehen, um aufs Klo zu gehen. Dort bleibt sie in gebeugter Haltung sitzen, weil es so wehtut. Sie fängt an zu heulen. Der Drang lässt nicht nach. Sie fällt fast vornüber, weil sie so müde ist. Sie will sich wieder ins Bett legen und erhebt sich. Als sie beim Spülen in die Toilette sieht, erschrickt sie bei dem roten Anblick. Alles voller Blut, dabei hat sie ihre Tage gar nicht. Sie schleppt sich wieder ins Bett, aber die Schmerzen bleiben. Sie wimmert verzweifelt vor sich hin. Jemand muss ihr helfen. Aber wer, aber wer? Charlotte geht nicht. Wer könnte ihr sonst noch helfen? Sie fängt an zu heulen. Sie hat ja niemanden. Frieder. Frieder muss ihr helfen. Gekrümmt macht sie sich auf die Suche nach dem neuen Handy. Im Flur setzt sie sich auf den Boden. Kramt die beiden Handys hervor und setzt ihre Karte in das neue Handy ein. Sie lehnt sich an die kühle Wand in ihrem Flur. Heftige Schmerzen im Unterleib. Frieder anrufen, Frieder wird ihr helfen. Ihre Nummern in dem fremden Telefon verwirren sie einen Moment. Sie wählt seine Nummer, hält sich das Telefon an das Ohr. Freizeichen.
»Hallo?«, fragt seine verschlafene, so vertraute Stimme.
»Frieder, ich sterbe«, heult Tessa ins Telefon.
»Was ist passiert?«, fragt er emotionslos.
»In der Toilette ist alles voller Blut.«
»Was für Blut, Tessa?«
Seine Stimme klingt nun besorgt und nimmt einen Teil ihrer Einsamkeit, worauf sie noch mehr anfängt zu heulen. »Blut, ich weiß es nicht«, schluchzt sie in den Hörer. Aber bevor sie ihn bitten kann, ihr zu helfen, bricht das Gespräch ab, und eine freundlich verlogene Stimme sagt, dass ihr Guthaben leider abgelaufen ist. Tessa starrt das Handy ungläubig an. Doch da klingelt ihr Telefon wieder.
»Frieder?«
»Du musst einen Krankenwagen rufen.«
»Nein, keinen Krankenwagen.«
»Tessa, was ist das für Blut?«, fragt er aufgeregt.
Sie hört auf zu heulen, er versteht sie falsch. »Nein, es ist nicht so schlimm.«
»Was für Blut ist in deinem Badezimmer?«
»Im Klo!«, schreit sie in den Hörer. »Nur im Klo. Ich habe eine scheiß blutige Blasenentzündung. Und es tut
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