Tessa
spürt eine aufkommende Übelkeit. Warum schon wieder Uwe? Den Schlüsselbeutel legt sie auf dem kleinen Tisch neben dem Eingang ab. Sie hört die Wohnungstür leise hinter sich ins Schloss klacken. Zögerlich folgt sie dem Spalt Licht, das aus der Küche dringt. Langsam stößt sie die Tür auf. In der Mitte des großen Raumes sitzt eine junge Frau auf dem Küchentisch. Sie erkennt Magdalena. Langes blondes Haar, schwarze enge Hose, ein weites Shirt. Durch den feinen Stoff zeichnet sich ihr schlanker Oberkörper ab. High Heels, rote Sohlen, Louboutins. Magdalena hält eine Kamera in der Hand. Und knipst, als Tessa den Raum betritt. Verlegen wendet Tessa ihren Blick ab, sie lächelt verspannt, hebt ihren Arm und versucht sich hinter ihrer Hand zu verstecken. »Nicht.«
Magdalena hört auf zu knipsen, senkt die Kamera, und ein Lächeln erhellt ihr Gesicht. Und auf einmal erinnert sich Tessa auch wieder an Magdalenas weiche Haut und ihre sanften Küsse. Als sie von hinten Hände an ihren Hüften spürt, wirbelt Tessa erschrocken herum und wird weiter in den Raum geschoben. Uwe steht vor ihr, umarmt sie und drückt seine feuchten und etwas schlaffen Lippen auf ihren Mund. Tessa weicht zurück. Das Knipsen ertönt wieder. Uwe dreht sich zu Magdalena, während Tessa sich ihre Lippen abwischt.
»Jetzt hör auf mit den Fotos. Davon hast du genug gemacht.«
Magdalena lächelt ihn nur an, hebt die Kamera und knipst erneut. Uwe schnellt auf sie zu, und Tessa ist überrascht von seiner plötzlichen Gewandtheit. Er reißt ihr die Kamera aus der Hand, aber Magdalena lässt nicht los und wird vom Tisch runtergezogen. »Ja, ja, Uwe. Ich höre ja schon auf. Aber lass los, Mann, das ist Kunst.«
»Das ist gleich Müll«, sagt Uwe mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht, das man ihm nicht abnehmen mag.
Trotz der Spannung zieht Tessa ihren Mantel aus, legt ihn über einen Stuhl und setzt sich, während Magdalena ihre Kamera einpackt, um dann auf dem Stuhl neben ihr Platz zu nehmen.
»Magst du Wein?«, fragt Magdalena und starrt sie eindringlich an.
»Gerne«, antwortet Tessa, aber entzieht sich Magdalenas Blick und starrt auf den Tisch.
Magdalena dreht sich zu Uwe. »Könntest du uns bitte zwei Gläser Rotwein bringen?«
Uwe nickt und verlässt die Küche. Verwundert steht Magdalena auf und fängt an, leise zu lachen. Flüsternd fragt sie Tessa: »Sucht er die Gläser jetzt im Schlafzimmer?«
Tessa versucht zurückzulächeln, will etwas sagen, aber ihr fällt kein passender Kommentar ein. Magdalena verunsichert sie, und so verzieht sie nur scheu ihren Mund. Die darauf folgende Stille ist unerträglich, und um irgendwas zu sagen, fragt Tessa: »Er ist aber noch nicht betrunken?«
Magdalena lacht wieder: »Doch.« Sie steht am Küchenschrank, holt zwei Gläser, greift nach der Flasche Wein und gießt ein.
Magdalena stellt das Glas vor Tessa und streicht ihr mit dem Finger über die Wange. Tessa sieht auf und weiß plötzlich nicht mehr genau, ob sie sich die Berührung nur eingebildet hat. Magdalena sitzt wieder neben ihr, ihren Kopf hat sie leicht nach hinten gebeugt, das Weinglas berührt ihre Lippen. Ihr langes Haar fällt in weichen Wellen ihren Rücken hinab. Sie sieht toll aus. Verlegen streicht sich Tessa durch ihr eigenes kurzes Haar. Sie hebt ihr Weinglas und trinkt einen Schluck. Der Wein beruhigt. Magdalena hat sie sicher nicht gestreichelt. Aber sie spürt noch deutlich ihre Fingerspitzen auf der Wange. Magdalena blickt zu ihr, hebt ihr Weinglas und hält es in ihre Richtung zum Anstoßen. Das Klirren der Gläser durchbricht die Stille.
»Was macht ihr?«, fragt Tessa, und ihre Stimme klingt kratzig und fremd. Sie räuspert sich verlegen und sieht Magdalena an. Sie sehen sich in die Augen, und es ist, als verschiebe sich etwas. Eine Vertrautheit oder die vollkommene Fremdheit. Tessa hält dem Blick nicht stand. Sie nimmt einen Schluck. Der Wein schmeckt teuer. Ein volles Bouquet.
»Ich und Uwe?« Magdalena zuckt die Schultern. »Nichts. Er hat mich gefragt, ob ich vorbeikomme. Wir hatten uns nicht so viel zu sagen, deswegen habe ich vorgeschlagen, dich anzurufen.« Magdalena lacht und lächelt Tessa freundlich an.
Wieder senkt sich die Stille über sie herab.
»Und woher kennst du Uwe?«, fragt Tessa, um die Unterhaltung nicht abbrechen zu lassen.
»Ich habe Drogen bei ihm gekauft. Ich kannte ihn vorher gar nicht. Ganz schön schräger Vogel. Letztes Mal. Weißt du noch?« Magdalena zwinkert
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