Tessa
ihrer Familie die Ferien in Frankreich verbracht hat. Es macht ja nichts, dass sie dort nie gewesen ist. Jens lächelt sie an, und sie lächelt zurück, der Wein hat sie glücklich gemacht.
Als sie das Restaurant verlassen, will sie sich bei ihm unterhaken, doch er legt seinen Arm um ihre Schultern. Eng umschlungen laufen sie zu ihm nach Hause. Sie lässt ihn gewähren, weil seine Körperwärme sie beruhigt und sie seine Nähe gerade nicht wirklich stört.
Bei Jens angekommen, geht er direkt in sein Arbeitszimmer, sie bleibt im Türrahmen stehen.
»Was machst du?«, fragt sie ihn, während er in seinem Schrank wühlt.
Er dreht sich zu ihr um. »Das Handy für dich suchen.«
Tessa lässt ihren Mantel zu Boden gleiten, geht ins Zimmer und schmiegt sich von hinten an ihn ran. »Du bist so toll.«
Jens lacht und reicht ihr die Handypackung.
Im Flur lässt sie die Packung auf ihren Mantel fallen. Jens steht wieder vor ihr. Er zieht ihren Körper an sich ran, um sie zu küssen, und sie legt ihre Arme um seinen Hals. Gemeinsam stolpern sie ins Schlafzimmer und fallen aufs Bett. Das Flurlicht erhellt sanft den Raum. Schatten lassen Jens’ Gesicht markant erscheinen. Sie findet ihn schön. Und schließt die Augen. Zu schwere Lider. Lässt sich fallen. Dunkelheit. Die weiche Matratze unter ihr. Als sie die Augen wieder öffnet, liegt Jens auf ihr. Er ist in ihr. Sanft bewegt er sich. Und stöhnt ihr heiße Luft ins Ohr. Alles schaukelt. Sie umarmt ihn, drückt sich wieder fester an ihn, will ihn tiefer. Sie wiegt sich im Rhythmus. Sie werden schneller. Für einen Moment erfüllt sie Liebe, und sie will ihn anschreien, »ich liebe dich!« in sein verzerrtes Gesicht brüllen. Ihr Stöhnen wird lauter. Und auch sein Atem geht schneller. Schmerzliche Wellen durchzucken ihren Körper. Anspannung löst sich. Gefühle verschwinden wieder. Danach schiebt sie ihn aus sich raus, dreht sich zur Seite, sucht nach seinen Zigaretten, findet die Schachtel neben seiner Hose liegen. Sie fällt halb aus dem Bett, als sie danach greift. Erleichtert lehnt sie sich zurück in die Kissen, mit der Zigarette in der Hand, und zündet sich eine an. Jens legt seinen Arm auf ihren Bauch, doch sie schiebt ihn zur Seite. Sie sieht ihn entschuldigend an. Er schließt die Augen. Sie starrt an die Decke und zieht den Zigarettenrauch tief ein. Blind versucht sie in den Aschenbecher neben dem Bett zu zielen. Doch das schlechte Gewissen packt sie, und sie bückt sich neben das Bett und zieht den Aschenbecher zu sich. Als sie die Zigarette zu Ende geraucht hat, sieht sie sich wieder nach Jens um. Er scheint eingeschlafen zu sein. Gleichmäßige Atemzüge. Und wieder sieht er so fremd aus.
Sie steht auf, nimmt sich die Zigaretten und geht leise in die Küche. Im Kühlfach findet sie eine angefangene Flasche Wodka. Vielleicht die vom letzten Mal. Wahrscheinlich. Sie nimmt sich ein Glas aus dem Schrank und setzt sich an den großen Küchentisch. Sie kippt es randvoll. Trinkt. Nackt sitzt sie da, hellwach. Sie ist überraschend ruhig, fast friedlich in diesem Zustand zwischen Nüchternheit und vollkommener Trunkenheit. Sie raucht seine Zigaretten, trinkt seinen Wodka. Wenn sie nur genug getrunken hat, dann findet sie vielleicht auch die Kraft, nach Hause zu gehen. Zu ihm ins Bett legen mag sie sich nicht. Ihre Gedanken sind glasklar, sie weiß plötzlich, dass Jens nicht ihr Typ ist. Sie ist gar nicht verliebt in ihn. Und sie ist froh über den Gedanken, weil sie schon fast ein schlechtes Gewissen Charlotte gegenüber hatte. Wie hätte sie ihr erklären sollen, dass sie jetzt mit Jens zusammen ist? Sie wird Jens nicht wiedersehen. Und Charlotte braucht auch eigentlich gar nichts davon zu erfahren. Sie nimmt einen weiteren Schluck und unterdrückt das plötzlich aufkommende starke Bedürfnis, zu Jens zu gehen, ihn zu wecken, um ihm zu sagen, dass er Charlotte nichts von dieser Nacht erzählen darf. Und fast erfüllt sie Freude, weil sie so genau weiß, was zu tun ist. Sie gießt sich ein nächstes Glas voll und zündet sich die nächste Zigarette an. Auf dem Stuhl wird es ihr zu unbequem, und sie legt sich auf das warme Parkett. Fußbodenheizung, denkt sie begeistert, bevor sie für einen kurzen Moment die Augen schließen will, nur um sich eine Sekunde auszuruhen.
Ihre Knochen schmerzen, als sie erwacht. Sie ist steif. Das Licht, das durch das Küchenfenster einfällt, ist gräulich. Draußen wird es langsam hell. Sie versucht sich aufzusetzen, aber
Weitere Kostenlose Bücher