Tessa
ihr zu.
»Ich kann mich nicht mehr so ganz an den Abend erinnern.« Tessa zuckt entschuldigend mit den Schultern und weicht dem Blick aus. Sie greift nach ihrem Glas. Mehr Wein. Langsam beruhigt sie sich. Die Anspannung weicht.
»Und du?«, fragt Magdalena.
Verwirrt blickt Tessa Magdalena an. »Ich?«
Magdalena lacht laut. »Woher kennst du Uwe?«
»Mhmm, ich weiß nicht. Vielleicht auch vom Drogenkaufen.«
Ein Schlag gegen das Fenster, erschrocken dreht sich Tessa um. Eine Krähe versucht sich auf das schmale Fensterbrett zu setzen. Ihr schwarzer Flügel scheint verbogen. Sie kämpft. Ihr rechtes Auge starrt dabei unbeweglich in den Raum. Die Krähe dreht den Kopf, vorwurfsvoll blickt sie Tessa an. Dann hüpft sie zur Seite, ins Leere, und fliegt davon.
»Tessa?«
Ein Schauer durchfährt ihren Körper, und sie muss sich schütteln. Sie dreht sich zu Magdalena und versucht sich zum Lächeln zu zwingen. »Ja, was?«
Magdalena lacht. »Du hörst mir gar nicht zu, oder?«
»Hast du was gesagt? Das war so eklig mit der Krähe gerade.«
»Mit der Krähe?«
Tessa zeigt auf das Fenster. »Mit der Krähe, die sich hinsetzen wollte.«
Magdalena folgt ihrem Blick. Sie zuckt mit den Schultern. »Eigentlich hatte ich gefragt, ob du auch Lust auf ein bisschen Koks hast?«
»Klar.«
»Dann such ich mal Uwe«, sagt Magdalena und verschwindet aus der Küche. Tessa sitzt alleine da, und die Abwesenheit der anderen erfüllt den Raum. Sie sieht sich um, auf dem großen weißen Tisch vor ihr liegt eine Schachtel Zigaretten, sie greift danach und schmeißt dabei fast ihr Weinglas um. Bedrohlich schwankt es, doch sie kriegt es noch zu fassen. Sie umklammert es für einen kurzen Moment, ehe sie sich eine Zigarette zwischen die Lippen klemmt und sich das Feuerzeug nimmt. Das kleine Rädchen lässt sich schwer drehen, und sie registriert ihre zitternden Hände. Sie benötigt ihre zweite Hand und müht sich mit dem Feuerzeug ab. Endlich. Die Flamme lodert vor ihrem Gesicht. Tief inhaliert sie den Rauch. Der trockene Tabak knistert. Sie schmeißt das Feuerzeug zurück auf den Tisch. Zu viel Schwung, denkt sie noch und beobachtet, wie das Feuerzeug über den Tisch gleitet, über die Tischkante fällt und mit einem leisen Scheppern auf dem Boden aufprallt. Sie greift nach ihrem Glas und trinkt. Zieht an der Zigarette. Sie schlägt ihre Beine übereinander, wippt mit dem Fuß nervös auf und ab. Sie steht auf und geht zum Küchentresen. Wenn sie jetzt Drogen nimmt. Sie geht zum Fenster, wo sie die Krähe gesehen zu haben glaubt. Mit dem Koks ist das sicher keine gute Idee. Sie geht zurück zum Tisch, nimmt einen Schluck aus dem Glas. Und plötzlich weiß sie, dass sie hier weg muss. Sie greift nach ihrem Mantel, zieht ihn hastig über, schnappt sich ihre Tasche und stürmt aus der Küche. Doch im Flur stößt sie mit Uwe zusammen, der sie verwundert anschaut.
»Wo willst du denn hin? Ich dachte, wir nehmen jetzt Drogen.« Uwe steht im weißen Unterhemd vor ihr, seine schwarze Adidas-Trainingshose hat er ordentlich bis zum Bauchnabel hochgezogen. Sie zögert. Sie hätte diesem unfreundlichen Taxifahrer nicht so viel Trinkgeld geben sollen, dann hätte sie jetzt noch fast genug Geld für die Rückfahrt. Der Gedanke deprimiert sie.
»Komm, Baby. Du bist ja erst seit einer Minute hier.« Uwe nimmt ihre Hand. Und geschlagen lässt sie sich wieder mit in die Küche ziehen. Das Kokain wird auf dem Tisch mit der Karte zerhackt. Magdalena sucht nach dem Feuerzeug. Jeder scheint beschäftigt. Tessa schaut teilnahmslos zu. Wenn alles andere so leer scheint. Sie hat gar keine Wahl.
Tessa beugt sich mit dem Metallröhrchen über den Tisch, schließt die Augen, und mit einem kräftigen Zug landet das kristalline weiße Pulver durch die Nasenschleimhäute in ihrem Blut. Sie beugt sich zurück, lässt den Kopf in den Nacken fallen und öffnet die Augen. Tief atmet sie ein und aus. Sie ist da. Wach. Aufmerksam. Das Licht scheint heller. Die Konturen schärfer. Sie beißt die Zähne zusammen. Schluckt schwer. Schmeckt das Kokain ihren Rachen betäuben.
»Wollen wir vielleicht ausgehen?«, hört sie Magdalena fragen, und sie denkt: Was für eine gute Idee.
Tessa, Magdalena und Uwe steigen in das bereits wartende Taxi. Stoffe blitzen, und der Seidenschal von Magdalena bleibt in der Tür hängen. Tessa drückt die Tür wieder auf. Lachend streckt sich Magdalena an ihr entlang. Ihre Köpfe sind sich nah. Tessa wird heiß. Der Geruch des
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