Tessy 02: Tessy und die Lust des Mörders
Endlich.
„Hallo Honey“, sagte er leise und trat näher. „So sieht man sich also wieder. Ich hoffe, du freust dich genauso wie ich.“
Sie starrte ihn schweigend an.
„Wo ist Sascha?“
„Auf dem Klo“, flüsterte sie.
Er setzte sich in einen giftgrünen Sessel und betrachtete sie zufrieden. „Du hast dir eine Menge Ärger eingehandelt, Honey. Weißt du das?“
Sie nickte und sah dann mit einem flüchtigen Blick an ihm vorbei. Brandner wollte den Kopf drehen, um zu überprüfen, was genau ihre Aufmerksamkeit erregte, aber dazu kam er nicht mehr. Er hörte ein Klicken und bemerkte zugleich, wie ein Lächeln in Honeys Augen aufblitzte. Ein völlig unpassendes Lächeln. Dann spürte er den Lauf einer Pistole an seinem Hinterkopf.
„Keine Bewegung, Herr Brandner. Polizei. Sie sind vorläufig festgenommen.“
Der Hass durchflutete ihn mit zitternder Wucht. Er starrte der Kommissarin wutentbrannt an, als sie den Vernehmungsraum scheinbar entspannt betrat.
„Was bilden Sie sich ein?“, schnauzte er los, als sie einen Hefter auf den Tisch legte und sich seelenruhig zu ihm setzte. „Sie hetzen ein ganzes waffenstarrendes SEK auf mich – mit welcher Berechtigung?“
„Ein waffenstarrendes SEK ist etwas anderes, das können Sie mir glauben“, gab Hauptkommissarin Carola Stein ruhig zurück. „Wir waren drei Polizisten, die eine Wohnung zu überprüfen hatten und mit der notwendigen Umsicht zu Werke gegangen sind, nachdem wir uns einen Überblick über die Lage verschafft hatten – um die Geschehnisse mal ganz allgemein und oberflächlich zusammenzufassen.“
Sie gehörte zu der Sorte Frauen, die Brandner nicht ausstehen konnte: selbstsicher, gelassen, souverän und unabhängig. Außerdem strahlte sie Klugheit aus.
„Kommen Sie bloß runter von Ihrem hohen Ross! Sie vergessen wohl, dass Sie mir Rechenschaft schuldig sind – also, warum dieser ganze Zirkus?“, wollte er wissen. „Und wo bleibt mein Anwalt?“ Er hob das Kinn.
„Fangen wir mit Ihrer zweiten Frage an – bei Ihrem Anwalt erreichen wir um diese Zeit niemanden mehr, tut mir leid.“ Ein winziges Lächeln strafte diese Behauptung Lügen, und er hätte ihr zu gerne ins Gesicht geschlagen, nur um dieses Lächeln weg zu bekommen.
„Und der ganze Zirkus ist nötig geworden, weil wir einen begründeten Verdacht gegen Sie haben, Herr Brandner“, erläuterte sie geduldig und in fast gelangweiltem Tonfall weiter.
„Aha. Weil ich in die Wohnung dieser Nutte eingedrungen bin, die wer auch immer übel zugerichtet hat?“
„Aber nein, da verwechseln Sie etwas. Der Mann, der die junge Frau misshandelt und auf Ihr Eintreffen gewartet hat, damit Sie das Werk vollenden, wird auch gerade vernommen. Wir ermitteln wegen Vergewaltigung, schwerer Körperverletzung und, warten Sie – ja: Mord, und zwar gegen Sie. Das Opfer heißt Lilly Monau. Wir haben Frau Monau kürzlich aus dem Papenfuhlbecken gefischt, und Sie sind Ihr Mörder.“
Brandner lachte auf. „Und wie kommen Sie darauf, dass ich etwas damit zu tun habe? Das Thema hatten wir doch schon! Sie waren auf meinem Grundstück und haben nichts, aber auch gar nichts gefunden. Außerdem …“
Carola Stein schüttelte den Kopf. „Das stimmt so nicht. Wir haben doch etwas gefunden, Herr Brandner – ohne es zum Zeitpunkt der Besichtigung an die große Glocke zu hängen. Einen auf den ersten Blick unauffälligen Stofffetzen. Doch eine DNA-Analyse hat inzwischen ergeben, dass er zu einem Kleidungsstück gehört, dass Lilly trug. Und Ihre Spuren werden wir darauf auch finden, darauf können Sie Gift nehmen.“ Sie sahen ihn aufreizend freundlich an. „Und das ist nicht alles. Wir haben noch mehr, Herr Brandner.“ Sie beugte sich vor.
„Lassen Sie mich raten – die Aussage einer Nutte? Wie aufregend.“
„Wir haben zufälligerweise im Zusammenhang mit einem anderen Gewaltdelikt einen Film sicherstellen können, der Ihr Tun eindrücklich beweist. Haben Sie noch mehr Fragen?“
Brandner erbleichte. „Ein Film …“
„Ein Film“, wiederholte Kommissarin Carola Stein. „Ich habe bereits Untersuchungshaft für Sie beantragt. Der Beschluss dürfte in Kürze eintreffen. Möchten Sie vielleicht in der Zwischenzeit ein Geständnis ablegen?“
Carola Stein blickte Brandner eine Weile nachdenklich hinterher, als der Polizist ihn abgeführt hatte. Soviel stand fest – einen neuen
Weitere Kostenlose Bücher